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Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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passte. Nach einer Weile verstummte sie und sah Mårten an. Er betrachtete nicht die Stoffe, sondern sie.
    »Das scheint Sie ja unheimlich zu interessieren«, sagte sie ironisch, bekam aber rote Wangen. Nervös strich sie sich die Haare hinters Ohr. Mårten ließ sie nicht aus den Augen.
    »Haben Sie Hunger?«
    Sie nickte langsam. »Ja, ziemlich.«
    »Gut.« Mårten stand hastig auf. »Bleiben Sie hier und räumen Sie die Stoffe weg, ich bin gleich wieder da.«
    Er verschwand unten in der Küche, und Anna blieb zwischen den Stoffmustern sitzen, die auf dem schönen, frisch geschliffenen Holzfußboden lagen. Die Sonne schien schräg durchs Fenster herein. Auf einmal wurde ihr klar, dass es schon später war, als sie gedacht hatte. Einen Augenblick lang dachte sie, sie müsste nach Hause zu den Kindern, doch dann fiel ihr ein, dass zu Hause niemand war. Dort wartete nur ein einsames Abendessen vor dem Fernseher auf sie, da konnte sie genauso gut hierbleiben. Mårten war schließlich auch allein, und gemeinsam zu essen machte viel mehr Spaß. Außerdem hatte er schon angefangen, irgendetwas zuzubereiten, und es wäre unhöflich gewesen zu gehen, nachdem sie seine Einladung bereits angenommen hatte.
    Nervös faltete sie die Stoffstücke zusammen. Als sie damit fertig war und den Stapel auf eine Kommode gelegt hatte, hörte sie Gläserklirren und Mårtens Schritte auf der Treppe. Kurz darauf kam er mit einem Tablett herein.
    »Es gibt ein ganz einfaches Essen. Etwas Aufschnitt, verschiedene Käsesorten und Toast. Mit einem guten Rotwein dazu funktioniert das vielleicht.«
    »Unbedingt, aber ich werde mich wohl mit einem Glas begnügen. Wenn ich volltrunken auf See aufgegriffen werde, gibt es im Ort einen Skandal.«
    »Dazu möchte ich nicht beitragen.« Mårten stellte das Tablett ab.
    Annas Herz klopfte heftiger. Eigentlich hätte sie nicht bleiben und mit einem Mann, der sie ins Schwitzen brachte, Käse essen und Wein trinken sollen. Andererseits wollte sie genau das. Sie griff nach einer Scheibe Brot.
    Zwei Stunden später wusste sie, dass sie länger bleiben würde. Es war keine bewusste Entscheidung, und sie hatten nicht darüber gesprochen, aber das war auch nicht nötig. Als es dämmerte, zündete Mårten Kerzen an, und im flackernden Kerzenschein beschloss Anna, im Hier und Jetzt zu leben. Für einen kurzen Moment wollte sie die Vergangenheit vergessen. Mit Mårten fühlte sie sich wieder lebendig.
    Sie liebte das Abendlicht. Es war viel schmeichelhafter und nachsichtiger als der unbarmherzige Sonnenschein. Ia betrachtete sich im Spiegel und fuhr mit den Fingern langsam über ihre glatte Haut. Seit wann spielte das Aussehen so eine große Rolle für sie? Sie erinnerte sich, dass in ihrer Jugend andere Dinge ungleich wichtiger gewesen waren. Irgendwann war die Liebe das Einzige gewesen, was zählte, und Leon war es gewohnt, von Schönheit umgeben zu sein. Seit ihre Schicksale miteinander verbunden waren, hatte er immer größere und riskantere Herausforderungen gesucht. Sie selbst hatte immer mehr und hingebungsvoller geliebt. Sie hatte zugelassen, dass Leons Wünsche ihr Leben bestimmten, und dann hatte es kein Zurück mehr gegeben.
    Ia ging ganz nah an den Spiegel heran, konnte aber keinen Ausdruck von Reue in ihrem Blick erkennen. Solange Leon genauso an ihr hing wie sie an ihm, war sie zu jedem Opfer bereit gewesen, doch irgendwann hatte er sich von ihr entfernt und ihr gemeinsames Schicksal vergessen. Der Unfall hatte ihm gezeigt, dass nur der Tod sie trennen konnte. Die Schmerzen, unter denen sie ihn aus dem Auto zog, waren nichts gegen den Schmerz, wenn er sie verlassen hätte. Nach allem, was sie für Leon aufgegeben hatte, hätte sie diesen Schmerz nicht überlebt.
    Doch nun konnte sie nicht länger bleiben. Sie verstand nicht, warum Leon unbedingt hatte zurückkehren wollen, und hätte es nicht zulassen dürfen. Wozu die Vergangenheit aufsuchen, wenn sie mit so viel Trauer verbunden war? Trotzdem hatte sie ihm wieder einmal seinen Wunsch erfüllt, aber nun war es genug. Sie konnte nicht tatenlos zusehen, wie er sich ins Verderben stürzte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren und dort auf ihn zu warten, damit sie wieder das Leben leben konnten, das sie sich gemeinsam aufgebaut hatten. Nun würde er endlich einsehen, dass er nicht allein zurechtkam.
    Ia reckte den Hals und warf einen letzten Blick auf Leon, der mit dem Rücken zu ihr auf der Terrasse saß. Dann packte sie ihre

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