Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
einmal ansehen?«
»Die Kartons sind bald leer, also fang ruhig an, dir alles anzugucken.« Er drehte sich zu ihr um. »Ist Mama gekommen?«
»Nein, die Kinder sind jetzt so groß, dass ich mir dachte, sie kommen bestimmt eine Weile allein zurecht.« Sie lachte. »Natürlich ist Kristina da, sonst hätte ich ja nicht gewusst, dass ihr mich hier braucht.«
»Ich habe übrigens zuerst versucht, Anna zu erreichen, aber sie war weder zu Hause noch übers Handy zu erreichen.«
»Nein? Das ist merkwürdig.« Erica runzelte die Stirn. Anna entfernte sich selten weiter als einen Meter von ihrem Mobiltelefon.
»Dan und die Kinder sind doch verreist. Sie sitzt wahrscheinlich irgendwo in der Sonne und hält ein Nickerchen.«
»Du hast recht.« Sie schüttelte die Sorgen ab und widmete sich den vielen Sachen.
Lange arbeiteten sie schweigend vor sich hin. In den Kartons hatten vor allem ganz normale Dinge gelegen, die jeder besitzt: Bücher, Stifte, Haarbürsten, Schuhe und Kleidungsstücke, die mittlerweile einen muffigen und schimmligen Geruch verströmten.
»Was ist aus den Möbeln und den anderen Einrichtungsgegenständen geworden?«, fragte Erica.
»Die sind im Haus geblieben. Ich vermute, dass bei den vielen verschiedenen Mietern das meiste im Lauf der Jahre verlorengegangen ist, aber wir müssen Ebba und Mårten danach fragen. Einiges wird wahrscheinlich noch da gewesen sein, als sie im Frühjahr einzogen.«
»Anna wollte übrigens gestern zu Mårten. Sie hat sich unser Boot ausgeliehen. Hoffentlich ist sie gut nach Hause gekommen.«
»Es ist bestimmt alles in Ordnung, aber wenn du dir Sorgen machst, kannst du ja Mårten anrufen und ihn fragen, wann sie aufgebrochen ist.«
»Ich glaube, das mache ich wirklich.«
Sie zog ihr Handy aus der Tasche und suchte Mårtens Nummer heraus. Das Telefonat war schnell beendet. Sie sah Patrik an.
»Anna war gestern Abend nur eine gute Stunde da und ist bei ruhiger See abgefahren.«
Patrik wischte sich die staubigen Hände an der Hose ab. »Na dann.«
»Ja, ich bin auch erleichtert«, sagte Erica und nickte, doch insgeheim hegte sie Zweifel. Irgendetwas stimmte hier nicht. Da sie aber auch wusste, dass sie eine Glucke war, die leicht überreagierte, schob sie die beunruhigenden Gedanken beiseite und arbeitete weiter.
»Ist das nicht irgendwie seltsam?« Sie hielt einen Einkaufszettel hoch. »Den muss Inez geschrieben haben. Es kommt mir so unwirklich vor, dass sie ein ganz alltägliches Leben geführt und Einkaufslisten geschrieben hat: Milch, Eier, Zucker, Marmelade, Kaffee …« Erica reichte Patrik die Liste.
Er warf einen Blick darauf und gab sie ihr seufzend zurück. »Für solche Dinge haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen uns auf die Dinge konzentrieren, die relevant für unseren Fall sein könnten.«
»Okay.« Erica legte den Zettel wieder auf den Tisch.
Systematisch gingen sie alles durch.
»Dieser Rune hat wirklich auf Ordnung geachtet.« Gösta zeigte ihnen ein Notizbuch, in dem offenbar alle Ausgaben aufgeführt waren. Die Handschrift war so sauber, dass sie fast wie gedruckt aussah.
»Anscheinend war keine Ausgabe zu klein für die Buchführung.« Gösta blätterte weiter.
»Nach allem, was ich über Rune weiß, wundert mich das nicht«, sagte Erica.
»Seht euch das mal an. Offenbar hat jemand für Leon geschwärmt.« Patrik zeigte ihnen ein vollgekritzeltes Blatt aus einem Notizbuch.
»A Herz L«, las Erica vor. »Außerdem hat sie schon ihre zukünftige Unterschrift geübt. Annelie Kreutz. Annelie war also in Leon verliebt. Das passt auch zu dem, was ich gehört habe.«
»Was Papa Rune wohl davon hielt«, sagte Gösta.
»Bei seinem Kontrollzwang hätte eine Beziehung der beiden eine Katastrophe auslösen können«, sagte Patrik.
»Es fragt sich, ob die Zuneigung erwidert wurde.« Erica setzte sich auf die Tischkante. »Annelie hat für Leon geschwärmt, aber hat er auch etwas für sie übriggehabt? John sagte ja, dass Leon nicht in sie verliebt war, aber er hätte das natürlich auch vor den anderen geheim halten können.«
»Diese nächtlichen Geräusche«, sagte Gösta. »Du hast doch erzählt, dass Ove Linder angeblich nachts Geräusche gehört hat. Sind Leon und Annelie vielleicht nachts durchs Haus geschlichen?«
»Oder Gespenster?«, fügte Patrik hinzu.
»Ach.« Gösta schnappte sich einen Stapel Rechnungen. »Ist Ebba eigentlich zurück auf die Insel gefahren?«
»Ja, sie hat sich vom Postboot mitnehmen lassen«, antwortete Erica
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