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Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Zum ersten Mal seit langem war sie richtig enthusiastisch.
    »Okay, gib sie mir, bevor ich es mir anders überlege.« Sie griff zu ihrem Handy.
    Das Interview lag ihm immer noch im Magen. Es war so frustrierend, sein Mundwerk im Zaum halten zu müssen und nicht Klartext reden zu dürfen. Der Journalist, mit dem er heute Morgen gesprochen hatte, war ein Idiot. Die meisten Leute waren Idioten. Sie hatten keinen Sinn für die Realität, was seine Verantwortung noch größer machte.
    »Glaubst du, dass die Partei Schaden nehmen wird?« John drehte nachdenklich sein Weinglas in der Hand.
    Seine Frau zuckte die Achseln. »So schlimm wird es schon nicht sein, er kam ja von keiner überregionalen Zeitung.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und setzte ihre Sonnenbrille auf, um den großen Dokumentenstapel zu lesen, der vor ihr lag.
    »So ein Interview macht schnell die Runde. Die belauern uns doch wie die Geier und warten nur auf eine günstige Gelegenheit, um zuzuschlagen.«
    Liv sah ihn über den Rand ihrer Brille an. »Als ob dich das überraschen würde! Du weißt doch genau, wer in diesem Land die Macht über die Medien hat.«
    John nickte. »Mich brauchst du nicht zu überzeugen.«
    »Bei der nächsten Wahl sieht es anders aus. Die Menschen machen sich nämlich keine Illusionen mehr über diese Gesellschaft.« Mit einem siegesgewissen Lächeln auf dem Gesicht blätterte sie weiter.
    »Ich wünschte, ich hätte deinen Glauben an die Menschheit. Manchmal frage ich mich, ob die Leute es jemals begreifen werden. Sind die Schweden zu faul und dumm, zu durchmischt und degeneriert, um zu merken, dass sich das Ungeziefer immer mehr ausbreitet? Vielleicht fließt nicht mehr genug reines Blut in den Adern der Schweden, als dass es sich lohnen würde, für ihr Volk zu kämpfen.«
    Liv hörte auf zu lesen. Ihre Augen glühten geradezu.
    »Jetzt pass mal auf, John. Seit wir uns kennen, hast du ein klares Ziel vor Augen. Du hast immer gewusst, was du zu tun hast, weil es deine Bestimmung ist. Wenn dir niemand zuhört – dann musst du eben lauter sprechen. Wenn jemand skeptisch ist, musst du ihm bessere Argumente liefern. Wir sitzen endlich im Reichstag, und dazu hat uns genau das Volk verholfen, an dem du gerade zweifelst. Es ist doch vollkommen egal, ob irgendein hergelaufener Journalist unser Budget hinterfragt. Wir wissen schließlich, dass wir recht haben, und alles andere zählt nicht.«
    John lächelte sie an. »Du klingst genau wie damals in der Jugendorganisation, allerdings siehst du mit Haaren viel besser aus als ohne.« Er ging zu ihr und küsste sie auf die Stirn.
    Abgesehen vom aufbrausenden Temperament und der agitatorischen Rhetorik erinnerte nichts an seiner kühlen Ehefrau, die immer wie aus dem Ei gepellt war, an das junge Mädchen mit der Glatze und den Springerstiefeln, in das er sich verliebt hatte. Trotzdem liebte er sie noch mehr als damals.
    »Es ist nur ein Artikel in der Lokalzeitung.« Liv drückte seine Hand, die noch auf ihrer Schulter lag.
    »Wahrscheinlich hast du recht.« John blieb jedoch beunruhigt. Er musste zu Ende bringen, was er sich vorgenommen hatte. Es war seine Aufgabe, das Ungeziefer auszurotten. Hätte er doch nur mehr Zeit gehabt.
    Die Badezimmerkacheln fühlten sich herrlich kühl an. Ebba lehnte die Stirn dagegen und schloss die Augen.
    »Kommst du bald?«
    Sie hörte Mårten aus dem Schlafzimmer, antwortete aber nicht. Sie wollte noch nicht ins Bett. Jedes Mal, wenn sie sich neben Mårten legte, hatte sie das Gefühl, Vincent zu hintergehen. Im ersten Monat hatte sie es nicht im selben Haus mit Mårten ausgehalten. Sie konnte ihn nicht einmal ansehen, und wenn sie ihr eigenes Spiegelbild sah, musste sie sich abwenden. Sie war umgeben von Schuld.
    Ihre Eltern hatten sich rund um die Uhr um sie gekümmert und sie betüddelt wie ein kleines Baby. Sie hatten mit ihr geredet, sie angefleht und sie immer wieder beschworen, dass sie und Mårten einander brauchten. Am Ende glaubte sie ihnen. Vielleicht hatte sie sich aber auch nur gefügt, weil es leichter war.
    Langsam und widerwillig hatte sie sich ihm wieder angenähert. Sie war nach Hause zurückgekehrt. Aus Angst vor dem, was passieren konnte, wenn sie miteinander redeten und womöglich Dinge sagten, die sich nicht zurücknehmen ließen, lebten sie in den ersten Wochen schweigend nebeneinanderher. Mit alltäglichen Sätzen fingen sie an:
    »Gib mir die Butter.«
    »Hast du Wäsche gewaschen?«
    Ungefährliche, harmlose Sachen,

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