Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
atmete durch die Nase ein. Als ihr der Saft in die Nase drang, musste sie unkontrolliert husten und niesen. Erica platzte fast vor Lachen.
»Was macht ihr hier eigentlich?«
Plötzlich stand Dan vor ihnen. Als sie seinen Gesichtsausdruck sahen, konnten sie beide nicht mehr an sich halten. Sie zeigten aufeinander und versuchten, etwas zu sagen, mussten aber so lachen, dass sie kein Wort herausbekamen.
»Alles klar, ich werde nie wieder unangekündigt nach Hause kommen.« Kopfschüttelnd ging Dan wieder hinein.
Schließlich beruhigten sie sich doch, und Anna spürte, dass sich der feste Klumpen in ihrem Bauch ein wenig aufgelöst hatte. Erica und sie waren sich in den vergangenen Jahren nicht immer einig gewesen, aber niemand war ihr so nah wie ihre Schwester. Keiner brachte sie so auf die Palme, und keiner machte sie so froh. Ein unsichtbares Band hielt sie für immer zusammen. Sie wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht und begriff dabei, wie sehr sie ihre Schwester brauchte.
»Nachdem er dich so gesehen hat, brauchst du wahrscheinlich heute Abend keine weiteren Annäherungsversuche zu befürchten«, sagte Erica.
Anna rümpfte die Nase. »Keine Ahnung, ob das einen Unterschied macht, aber wechseln wir lieber das Thema. Irgendwie kommt es mir inzestuös vor, übers Liebesleben zu sprechen, wenn der Partner bereits mit der eigenen Schwester zusammen war …«
»Meine Güte, das ist doch eine Ewigkeit her. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mal mehr, wie er nackt aussah.«
Anna hielt sich demonstrativ die Ohren zu, Erica schüttelte lachend den Kopf.
»Okay, reden wir über etwas anderes.«
Anna nahm die Hände herunter. »Erzähl mir mehr von Valö. Wie ist die Tochter? Hieß sie nicht Emma?«
»Ebba«, sagte Erica. »Sie lebt dort mit Mårten, ihrem Mann. Sie wollen das Haus renovieren und eine Pension eröffnen.«
»Glaubst du wirklich, dass das funktioniert? Die Saison ist nicht besonders lang.«
»Ich habe keine Ahnung, hatte aber den Eindruck, dass sie es nicht wegen des Geldes machen. Sie verfolgen andere Ziele.«
»Vielleicht läuft es ja auch. Der Ort hat schließlich Potenzial.«
»Ich weiß, und jetzt kommst du ins Spiel.« Erica deutete mit dem Finger auf sie und klang plötzlich ganz eifrig.
»Ich?«, fragte Anna. »Was habe ich damit zu tun?«
»Bis jetzt noch gar nichts, aber das kann ja noch kommen. Ich habe nämlich eine unglaublich gute Idee.«
»Bescheiden wie immer«, stellte Anna fest, doch ihre Neugier war geweckt.
»Eigentlich haben Ebba und Mårten es zuerst angesprochen. Sie kommen mit der Renovierung gut voran und sind handwerklich geschickt, brauchten aber bei Stil und Ambiente ein wenig Hilfe. Genau das hast du zu bieten: Du kennst dich mit Einrichtung und Antiquitäten aus und hast einen guten Geschmack. Du bist einfach perfekt dafür geeignet!« Erica schnappte nach Luft und trank einen Schluck Saft.
Anna traute ihren Ohren kaum. Vielleicht war dies eine Gelegenheit, um herauszufinden, ob ein Job als selbständige Einrichtungsberaterin zu ihr passte. Möglicherweise war das ihr erster Auftrag. Sie lächelte.
»Hast du ihnen das gesagt? Meinst du, sie wollen jemanden engagieren? Können sie sich das überhaupt leisten? Welcher Stil schwebt ihnen denn vor? Die Sachen müssen ja nicht teuer sein, es würde sogar Spaß machen, übers Land zu fahren und auf Trödelmärkten richtig schöne Möbel und Einrichtungsgegenstände zu einem günstigen Preis zu finden. Da draußen könnte ich mir einen etwas altmodischen, romantischen Stil vorstellen, ich weiß auch, wo man hübsche Stoffe findet und …«
Erica hob eine Hand.
»Ganz ruhig. Die Antwort lautet nein, ich habe noch nicht von dir gesprochen. Ich habe ihnen nur gesagt, dass ich vielleicht jemanden wüsste, der ihnen helfen könnte. Keine Ahnung, wie groß ihr Budget ist, aber ruf sie doch einfach an und mach einen Termin mit ihnen aus. Falls sie Interesse haben, können wir zusammen hinfahren.«
Anna musterte Erica skeptisch.
»Du suchst doch nur nach einem Grund, da wieder herumzuschnüffeln.«
»Mag sein … aber ich halte es trotzdem für eine glänzende Idee, wenn ihr euch kennenlernt. Ich glaube, du würdest das super machen.«
»Ich wollte mich ja schon länger selbständig machen.«
»Dann solltest du einfach loslegen. Ruf sie doch gleich an, ich gebe dir die Nummer.«
Anna spürte neue Lebensgeister in sich erwachen. Begeisterung. Dieses Wort beschrieb wahrscheinlich am besten, was in ihr vorging.
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