Die Engelsmuehle
gefärbte Kontaktlinsen trug, die ihren Pupillen diese dunkelbraune, fast schon schwarze Tönung verliehen.
»Sechzehn - der Kupferstich ist nicht von mir, er stammt von Albert Gaugin«, erklärte sie.
»Dem Maler?«
Madeleine strich sich das Haar hinters Ohr und ließ ihren wuchtigen Ohrring, der die Form zweier in sich verschlungener Schlangen besaß, durch die Finger gleiten. »Der Maler, den Sie meinen, heißt Paul Gauguin - ich sprach jedoch von dem Wiener Arzt Albert Gaugin. Der Tod hat ihn zeit seines Lebens fasziniert. Er ließ den Kupferstich anfertigen. Der Stein ist eine Leihgabe des Kunsthistorischen Museums.« Sie musterte Hogart ungeniert. »Es ist erfrischend, jemanden kennenzulernen, der absolut keine Ahnung von Kunst hat. Was ist Ihr Beruf?«
»Vers…« Hogart verstummte für einen Augenblick. »Verschiedene Tätigkeiten. Zurzeit restauriere ich Oldtimer.«
»Oh.« Madeleine klang mehr beeindruckt als überrascht. »Dann arbeiten Sie mit schweren Schraubenschlüsseln.« Sie neigte sich nach vorne. »Ihr Körper riecht nach Benzin und Metall, und Ihre Haut ist abends von Schmier- und Motoröl bedeckt.« Es klang nicht zynisch - im Gegenteil. Madeleines Stimme knisterte. Ihre dunklen Lippen formten einen Schmollmund, der einen deutlichen Kontrast zu ihrer fahlen Haut bildete.
Es war verrückt. Obwohl sie von Motoröl und Schraubenschlüsseln sprach, versteifte sich Hogarts Glied beim Klang ihrer Stimme. Ihrem Blick zufolge hätte sie ihn am liebsten jetzt gleich in einen Seitentrakt geschoben, um zu sehen, ob seine Haut unter dem Pullover tatsächlich nach Maschinenöl schmeckte. Und merkwürdigerweise hätte er nichts dagegen unternommen.
»Und Ihre junge Begleiterin?« Madeleine nickte zu Tatjana, die immer noch vor den Pestgruben stand. »Ist sie an Malerei interessiert?«
Hogart dachte an die Lüge, die sie Madeleines Schwester aufgetischt hatten. Auch wenn die beiden Frauen keinen Wert darauf legten, sich zu sehen, war es besser, bei derselben Lüge zu bleiben, als ständig neue zu erfinden.
»Tatjana überlegt, Kunst zu studieren.«
»An der Akademie der bildenden Künste auf dem Schillerplatz?«
»Um ehrlich zu sein, haben wir heute Ihre Schwester in der Luttenberger Akademie besucht. In ihrem Büro sah ich Ihr Gemälde vom Stock im Eisen.«
»Meine Güte, das hängt immer noch dort?« Madeleine warf einen blasierten Blick zur Decke. »Zwischen all dem Krempel, der dort hängt und sich moderne Kunst schimpft, wirkt es sicher wie ein Relikt aus dem Mittelalter. Ich habe Linda gebeten, es abzunehmen, aber was soll’s? Es stammt noch aus jener Zeit, als ich an einem anderen Zyklus gearbeitet habe.«
Hogart deutete auf die Gemälde an der Wand. »Trotzdem ist es diesen ziemlich ähnlich.«
»Wenn eine Malerin einmal ihren Stil gefunden hat, entwickelt sie sich nur noch langsam weiter. Was Sie hier sehen, ist im Durchschnitt drei Jahre alt. In meinem Atelier entsteht soeben ein neuer Werkzyklus mit veränderten Motiven und alternativen Techniken, doch im Moment trete ich auf der Stelle.«
»Eine Schaffensblockade?«
»Möglich.« Sie hob die Schultern. »Zurzeit fühle ich mich wie ein Fisch im Sand«, seufzte sie. »Das sind Dinge, über die man Ihrer jungen Freundin an der Akademie nichts erzählen wird.«
»Meine Tochter«, korrigierte er sie.
Erstaunt betrachtete sie seine Hände. »Sie tragen keinen Ehering. «
»Meine Exfrau lebt in Amsterdam.« Er fürchtete schon, das gesamte Märchen von der Töpferstube und den Duftölen noch einmal erzählen zu müssen, doch Madeleine war an keinen Details interessiert. Stattdessen betrachtete sie ihn ohne jede Scheu.
»Ihnen fehlt ein Teil der Augenbraue«, stellte sie fest.
»Ich habe mich als Kind mit dem Feuerzeug meines Vaters verbrannt, als ich im Holzschuppen heimlich eine Zigarette rauchen wollte.«
»Armer Junge.« Mit gespieltem Mitleid schüttelte sie den Kopf. »Seitdem Nichtraucher?«
»Ich versuche, es mir seit Monaten abzugewöhnen.«
»Sie hätten schon als Kind damit aufhören sollen.«
»Kluger Ratschlag.«
»Dann kann ich Sie zu keiner Zigarette verführen?«
»Besser nicht.« Das Gespräch verlief alles andere als normal. Außerdem wollte Hogart gar nicht über sich reden, sondern suchte nach einem Weg, das Blatt zu wenden. »Warum malen Sie so etwas?«, fragte er schließlich.
Jeder andere Mensch hätte sich bei dieser Frage umgesehen oder zumindest nach oben geschaut, um nachzudenken, doch Madeleine hielt
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