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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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noch ein.› Und er hatte sich beeilt, war die ganze Strecke von Covent Garden bis zur St.-Paul’s-Kathedrale gerannt. Den Weg war er schon gegangen, als er mit Fritz und Manon in Blackwall gewesen war, er war nicht zu verfehlen: die Strand hinunter, durch den Temple Bar unddann immer nur geradeaus. Die Ave Maria Lane, das wusste er von Rosina, war eine der Gassen, die kurz vor der Kathedrale abzweigten. Aber welche? Er hatte nach seinem Täfelchen gegriffen, um einen der Passanten zu fragen, doch das Täfelchen steckte nicht in seinem Rock, sondern lag noch bei dem Pantomimen, obwohl er es dort gar nicht brauchte.
    Nun hatte er sich schon in zwei Höfe verirrt und auch zwei Gassen nach der Druckerei abgesucht. Selbst wenn es keine weit ausladenden Schilder gab, so machte sich doch nahezu jeder Laden, jede Werkstatt und ganz bestimmt eine große Druckerei mit einer über die Tür genagelten Namenstafel bekannt. Die konnte er doch nicht verfehlt haben.
    Wenn er Rosina überholt hatte? Weil sie auf der anderen Straßenseite gegangen war oder er sie im Gedränge übersehen hatte? Aber es musste mindestens halb neun sein, und sie war bestimmt längst in der Druckerei. Sie würde wütend sein, nicht weil sie sich in Gefahr wähnte und auf die Unterstützung seiner Gegenwart hoffte, wie Helena versichert hatte (er glaubte an keinerlei Gefahr), sondern weil er sie hatte warten lassen und ausgeblieben war. Dabei wollte er die Druckerei so gerne sehen.
    Und nun? Einfach zurückgehen? Er dachte an Helena und verwarf den Gedanken sofort. Er könnte in einem der Papierwarenläden Papier und Bleistift kaufen und gleich den Namen der Druckerei mit einem großen Fragezeichen aufschreiben. Er würde schon begreifen, was sie ihm darauf sagten. Er tastete nach seinen Münzen und fand zwei halbe Pennys. Zu wenig. Er hätte doch nicht so viel in der Garküche ausgeben sollen.
    Er lehnte sich an eine Hauswand, ließ den Blick durchdie Menge gleiten, auch über die Kutschen, Wagen und Reiter, die auf der Ludgate Street an ihm vorüberzogen, und plötzlich entdeckte er einen rundlichen, ziemlich kurzbeinigen Mann, der auf der anderen Straßenseite rasch ausschritt und sich mit einem großen roten Schnupftuch Stirn und Nacken wischte.
    Muto versuchte zu schreien und verschloss zornig die Lippen. Manchmal vergaß er, dass er nicht schreien konnte.
    ***
    «Nein», sagte Hebbel, «die Buchstaben sind nicht alle nach dem Alphabet geordnet. Nur die großen, die in wiederum zwei verschiedenen Größen in den oberen Fächern liegen. Darunter liegen die Kleinbuchstaben und in den untersten Fächern, Ihr seht, sie sind anders als die oberen von unterschiedlichem Fassungsvermögen, liegen die Buchstaben und Zeichen, die besonders häufig gebraucht werden. Ein Setzkasten für unsere lateinische Schrift hat 125   Fächer, die für das e und das n zum Beispiel, für das i, auch für das u sind besonders groß. Und dort drüben», Hebbel zeigte mit dem Kinn zu einem Regal aus nur wenigen Zoll hohen Fächern, «liegen Setzkästen mit verschiedenen anderen Schrifttypen. Es gibt viele Schriften, jede hat ihren eignen Namen, und dann haben wir auch besondere fremdländische wie für die hebräische, griechische oder die arabischen Sprachen, die haben ja ganz andere Zeichen als unsere lateinischen. Wir können sogar kyrillische Buchstaben drucken, und kürzlich hat Mr.   MacGavin auch Lettern in Marathi gekauft, das ist eine indische Sprache, obwohl für die kaum Bedarfbesteht. Und nun», er griff einen Winkelhaken, fasste ihn leicht und fest zugleich mit der linken Hand, «beginnt das Setzen. Seht Ihr?»
    Er nahm eines der kleinen Metallstäbchen aus einem der Fächer des Setzkastens und hielt es ins Licht.
    «Man beginnt immer in der Mitte der Zeile, weil so die Buchstaben nach beiden Seiten schön gleichmäßig gesetzt werden können. Damit es noch besser geht, gibt es das kleine a und e in fünf verschiedenen Breiten. Mit einem flüchtigen Blick bemerkt Ihr den Unterschied kaum, doch für die Akkuratesse ist das unverzichtbar. Dies», er zeigte ihr ein winziges silbriges Stäbchen mit einem Buchstaben auf der Spitze, «ist ein kleines a, natürlich seitenverkehrt gegossen, damit es auf dem gedruckten Bogen richtig herum erscheint. Es ist recht schwer für sein Maß, denn die Lettern bestehen aus einer Legierung von Blei, Zinn und ein wenig Antimon, das wird geschmolzen und in eine Form gegossen. Und nun», er griff in die Fächer, langsam, denn als

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