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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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trocken und reckte die nach lange getaner Arbeit steifen Schultern.
    «Dabei ist das eigentlich das Wichtigste», fuhr er fort. «Wenn Lettern nicht gut geschnitten und gegossen sind, wird der ganze Druck nichts. Und wenn man sich für die falsche Schrift entscheidet, für eine, die zu dem Anlass und Inhalt des Bogens nicht passt, hat er nur die halbe Wirkung. Der Inhalt des Textes kann durch die Schrift sehr wohl verlieren oder gewinnen. Unsere Augen – nun fange ich schon wieder an.»
    Rosina lachte, allerdings nur halbherzig, denn auch sie bemerkte, dass die Korrektoren ihre Arbeit beendeten. Dann ist die meiste Arbeit getan, hatte er gesagt, als er ihr diese späte Stunde vorschlug, um die Listen abzuholen und die Druckerei kennen zu lernen. Dass die Arbeit dann
ganz
getan sein und niemand außer ihr und ihm mehr da sein würde, hatte sie nicht gedacht. Sie schickte Muto einen grimmigen Gedanken zu, schalt ihr plötzlich beklommenes Herz hasenfüßig und sagte munter: «Das macht nichts. Aber ich glaube, es ist recht spät, sicher wollt Ihr auch nach Hause. Ihr könnt mir das Drucken ein anderes Mal zeigen. Besonders da mein junger Freund, den Euer Handwerk noch mehr interessiert als mich, heute nicht mitkommen konnte.»
    «Aber nein, es ist nicht zu spät. Ich habe alles vorbereitet. Und oben, im Kontor im ersten Stock, wird gewiss noch gearbeitet. Mr.   MacGavin ist ein unermüdlicher Mensch. Einen guten Abend», rief er den beiden Korrektoren nach, die mit einem gemurmelten Gruß und nun doch neugierigen Blicken die Druckerei verließen. «Es dauert nicht lange. Wartet bitte einen Moment.»
    Er lief den beiden Männern nach, gewiss hatte er mit ihnen noch etwas zu bereden, und Rosina trat näher an das Fenster und blickte in den Hof hinunter. Es war nicht der mit dem Hermes inmitten des Buchsbaumrondells, durch den sie das Anwesen betreten hatte. Wie sie schon bei ihrem ersten Besuch vermutet hatte, gab es einen zweiten, breiteren Zugang. Dieser Hof war auch größer. Neben einem halbrunden Tor, gewiss verbarg sich dahinter der Pferdestall, war eine Kutsche abgestellt, ein wendiges, nicht zu großes Gefährt, gerade richtig für Stadtfahrten, links davon lehnten zwei Lastkarren an der Wand, daneben stapelten sich einige Tonnen und Kisten, bei der Pumpe war ein mächtiger Haufen frischen Feuerholzes aufgeschüttet, daneben ein zweiter von Torf.
    Sie sah sich nach Hebbel um und horchte. Es war absolut still, also wandte sie sich wieder dem Fenster zu. Ein von zwei Maultieren gezogenes Fuhrwerk rollte in den Hof. Der Fuhrmann sprang vom Bock, öffnete die hintere Klappe und zerrte die erste, eine nur mittelgroße, doch offenbar bleischwere Kiste an den Rand. Sie war fest mit Nägeln verschlossen, nur an den Seiten hatte sich Stroh durch die Ritzen der kräftigen Bretter gedrückt. Der Mann rieb sich unwirsch mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, machte noch einen Versuch, warf ärgerlich seine Mütze auf den Karren und verschwand durch die Tür bei der Pumpe.
    Papier konnte bleischwer sein. Sie hatte oft genug Kisten mit den Büchern und Textheften geschleppt. Aber in Stroh verpackt? Vielleicht war es eine Lieferung wertvoller Bücher für den Laden.
    «Da bin ich wieder», sagte Hebbel hinter ihr. «Ichmusste Jefferson noch etwas fragen. Wenn Ihr mir nun zu der hinteren Presse folgen wollt? Sie steht nahe am Fenster, dort haben wir noch Licht. Aber vielleicht», sagte er, legte einen großen Schlüssel auf den Rand der Presse und holte zwei Tranlampen von einem Wandbrett, «wird es nicht reichen.»
    Er entzündete die Lampen, deren trübes Licht sein Gesicht seltsam veränderte, und trat an den Setzkasten neben der Presse.
    «Ach, der Schlüssel», murmelte er, griff nach ihm und steckte ihn in die Rocktasche. «Ich habe abgeschlossen. Man weiß nie, wer sich in einer so großen Stadt an fremden Türen zu schaffen macht, und wenn vorne jemand hereinkommt und gleich in die Lagerräume schleicht, hören wir es hier nicht. Das Haus hat dicke Wände und solide Türen.»
    Rosina schalt sich immer noch hasenfüßig. Außerdem gab es noch eine zweite, schmalere Tür, nur wenige Schritte weit von der Presse. Sie stand halb offen, trotzdem wirkte sie wenig verheißungsvoll. Hinter ihr waren nichts als einige Stufen zu sehen, die sich in der Schwärze eines Kellergewölbes verloren.
    ***
    Er blieb keuchend stehen und sah sich entmutigt um. ‹Beeil dich›, hatte Helena ihm nachgerufen, ‹dann holst du sie

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