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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Drucker wussten seine Finger anders als die der Setzer ohne die Hilfe der Augen nicht das Richtige zu finden, «nun fügt man einfach Buchstaben an Buchstaben, bis das Wort, bis die Zeile und schließlich die Seite fertig ist.
    «Die Lettern sind so winzig», sagte Rosina, «ist es nicht mühsam, stets darauf zu achten, dass sie auch mit dem Buchstaben nach oben liegen?»
    «Das wäre es, wenn nicht jede Letter eine kleine Kerbe hätte, durch die der Setzer es fühlt. Ihr solltet unsere Setzer bei ihrer Arbeit sehen – ihre Finger füllen den Winkelhaken unglaublich flink. Oh, da haben wir ja einen Zwiebelfisch.»
    «Zwiebelfisch?» Rosina lachte. «Was ist das?»
    «Ein Ausreißer, sozusagen. Die Setzer und Drucker haben eine ganze Menge eigener Begriffe, wie jedes andere Gewerbe auch. Ich weiß nicht, warum, aber eine Letter, die in den Setzkasten einer anderen Schriftgröße oder -art geraten ist, wird bei uns Zwiebelfisch genannt. So was kommt hin und wieder vor, wenn die nach dem Drucken gereinigten Lettern wieder in ihre Kästen sortiert werden. Wenn nicht schon die Setzer, bemerken die Korrektoren den Fehler auf dem Probedruck sofort, dann werden diese Lettern wie auch bei anderen Fehlern einfach im Satz ausgewechselt.
    Vor das nächste Wort», erklärte er weiter «wird eine Spatie gesetzt, ein flaches Stück Blei ohne Buchstaben für den Zwischenraum. Es gibt sie in verschiedener Breite, wie das a und das e, damit man die Zwischenräume so ausgleichen kann, um für jede Zeile akkurat genau die gleiche Länge zu erreichen. Zwischen die einzelnen Zeilen wiederum werden Metallstreifen gelegt, die Regletten, so werden sie schön sauber voneinander getrennt und gut lesbar. Viel schneller, fast als schriebe man mit der Feder, ginge das Setzen, wenn man nicht nur einzelne Buchstaben, sondern auch ganze Silben setzen könnte, es gibt ja etliche, die oft vorkommen. Aber das hat noch niemand ausgetüftelt.»
    Der Streifen, nach dem er zu flink gegriffen hatte, entglitt seiner Hand und fiel zu Boden.
    «Das würde den Setzern kaum passieren.» Er bückte sich und tastete unter dem Tisch nach der Reglette. «Sie arbeiten bei aller Schnelligkeit doch sicher und sorgfältig, aber dazu bedarf es sehr langer Übung.»
    Er tauchte wieder auf, den Streifen endlich in der Hand, und warf einen raschen Blick aus dem Fenster. Dashatte er, während er seinen gelehrsamen Vortrag hielt, einige Male getan, diesmal ließ Rosina ihren Blick dem seinen folgen.
    Das Fuhrwerk stand immer noch im Hof, zwei Kisten warteten noch darauf, abgeladen zu werden. Gerade trat der Kutscher mit einem zweiten Mann aus der Tür nahe der Pumpe, der schwang sich auf den Wagen und begann die vorletzte Kiste an den Rand zu schieben, auch sie offenbar schwer wie Granit. Als er sie endlich ein Stück weit über die Wagenkante geschoben hatte, griff der Fuhrmann zu, dabei hob er sein Gesicht und Rosina erkannte ihn sofort. Er war der Mann, der ihr in der Half Moon Street begegnet war, als er seine Lieferung in Mr.   Dibbers Schenke schleppte. Was entlud er jetzt? Das Gleiche, dachte sie, in dem Stroh liegen keine wertvollen Bücher, sondern Flaschen. Mr.   MacGavin ließ seinen Weinkeller auffüllen. Was sonst?
    Dass ein wohlhabender Druckereibesitzer den gleichen Lieferanten bestellte wie der Wirt einer muffigen Spelunke, schien ihr eigentümlich. Auch glaubte sie nicht, dass im
King’s Belly
Wein aus Flaschen ausgeschenkt wurde. Dort gab es ganz sicher nur Bier, Gin und billigen sauren Wein aus Fässern.
    «Was wird dort geliefert?», fragte sie. «In den Kisten ist etwas in Stroh verpackt.»
    Hebbel beugte sich vor und sah hinunter auf die letzte Kiste auf dem Fuhrwerk. «Glaubt Ihr? Ich kann keins sehen. Bücher jedenfalls nicht, die werden meistens gut gepolstert in Tonnen transportiert. Darin sind sie besser gegen Feuchtigkeit geschützt. Wahrscheinlich ist es nichts für die Druckerei, sondern etwas für Mrs.   MacGavins Haushalt.»
    Er schloss das Fenster, das noch einige Zollbreit offen gestanden hatte, und schob einen Riegel vor.
    «Es dunkelt nun doch rasch», sagte er, «lasst uns schnell an die Presse gehen. Ich habe den Satz für Euren ersten Bogen aufgehoben und bereitgestellt. Dann könnt Ihr sehen, wie der Druck vor sich geht.»
    Sie folgte ihm zu der Presse, doch dann blieb sie zögernd stehen. Das kleine schabende Geräusch des Riegels klang noch in ihrem Ohr, warum hatte er das Fenster geschlossen?
    ‹Wegen der Zugluft›, sagte die

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