Die englische Episode
war. Während sie noch überlegte, ob sein unerwartetes Hinscheiden für Mrs. Pratt und deren Pläne letztlich doch günstig war, fuhr die Hausdame schon fort: «Immer wieder habe ich ihm gesagt, er solle nicht in dieses Cockpit gehen. Er ist nicht der Erste, der dort sein Leben ließ. Ich meine nicht Hähne und Hunde, die natürlich ständig, Männer meine ich. Erst im März hat einen dort der Schlag getroffen, den Reverend von Chelsea, das ist ein Dorf weit südwestlich der Stadt, Ihr werdet es nicht kennen. Wegen der Hitze, hieß es, aber ich bitte Euch, Hitze im März?»
Wieder schnäuzte sie sich kräftig, und Augusta fürchtete um den zarten Batist ihres Taschentuches.
«Es war ganz sicher die Aufregung», fuhr Mrs. Pratt eifrig fort. «Obwohl ein Reverend natürlich nicht wetten sollte. Überhaupt sollte so ein frommer Mann dort nicht hingehen. Das habe ich auch Mr. Webber gesagt. Auf den Tothill Fields trifft sich eine raue Gesellschaft und erfreut sich an diesen blutigen Tierkämpfen, ein so feinfühliger Mensch wie Mr. Webber kann da leicht Schaden an seiner Seele nehmen, ja, und natürlich auch an seinem Portemonnaie. Wegen der Wetten, versteht Ihr?»
Der Gedanke an Mr. Webbers Portemonnaie gab Mrs. Pratt, die eine praktisch denkende Frau war, ihre gewohnte Festigkeit zurück. Sie putzte sich noch einmal die Nase, tupfte die feuchten Wimpern trocken und sagte mit einem kleinen Schnaufer, der in Augustas Ohren eher erleichtert als trauervoll klang: «Doch das ist nun egal, tot ist tot. Aber ich wäre doch sehr gerne Mrs. Webber geworden.»
Wieder begannen ihre Augen zu schwimmen, und Augusta suchte eilig nach einem zweiten Taschentuch, was sich jedoch als überflüssig erwies.
«Ich kann einfach nicht glauben, dass es ein Unfall war», sagte Mrs. Pratt mit wieder fester Stimme. «Er war ein so vorsichtiger Mensch, ein wenig zu vorsichtig, wenn Ihr meine ehrliche Meinung hören wollt. Diesen schrecklichen Hunden, es sind wahre Untiere, Madam, Bestien!, denen hätte er sich nie so weit genähert, dass sie ihn angreifen oder gar töten konnten.»
«Vielleicht hat es Streit gegeben», überlegte Augusta laut und verschluckte den Hinweis auf zu viel Gin, «ein Gerangel? Das kommt alle Tage vor, da wird leicht jemandgeschubst und gerät unter einen Wagen oder eben zwischen bissige Hunde.»
Mrs. Pratt nickte. «Das ist möglich. Aber diese Kämpfe finden in einer Art Arena statt, zwischen den Zuschauern und den Tieren ist eine Brüstung. Allerdings ist sie nicht sehr hoch, es ist wohl möglich, darüber zu fallen, aber dann muss der Tumult mächtig gewesen sein. Nun ja, wenn die Wetten hochgehen und darüber ein Streit ausbricht, ob eines der Tiere mit Laudanumtropfen müde gemacht wurde, kann das schon mal passieren. Dort wird auch viel getrunken, Mr. Webber hat natürlich nie viel getrunken, er war ein vernünftiger Mann.»
«Es wird doch sicher eine Untersuchung geben», sagte Augusta, die fand, dass sich Mrs. Pratt erstaunlich gut auskannte. «Um zu klären, was geschehen ist.»
«Das glaube ich nicht. Wer sollte das tun? Womöglich gäbe es eine, auch wenn ich wirklich nicht recht weiß, durch wen, wenn die beiden Misses Webber es fordern würden. Das werden sie aber gewiss nicht. Es wäre gar nicht gut für die Geschäfte, wenn über den Tod ihres Vaters geklatscht wird. Natürlich gehen viele Männer dorthin, auch Frauen, sogar einige Damen, hin und wieder. Aber nicht die Damen, die bei Webbers ihre Stoffe kaufen. Die ziehen es vor, so zu tun, als wüssten sie nichts davon. Jedenfalls würden sie nicht gerne in einem Haus kaufen, dessen Besitzer …»
Anstatt den Satz zu beenden, stützte sie aufseufzend das Kinn in ihre Hände und blinzelte nachdenklich in die Sonne.
«Ich bin sicher», sagte sie schließlich, «Mr. Webber hätte sich niemals so nah an die Brüstung gedrängt, dass er darüber hätte fallen können. Er vermied es, zwischendem Pöbel zu stehen. Er mochte den Geruch nicht und hatte auch Sorge wegen der Reinlichkeit. Versteht mich nicht falsch, dort treffen sich auch vornehme Männer, natürlich wart Ihr nie an einem solchen Ort, aber», sie senkte die Stimme und suchte mit flinken Blicken den Hof nach Lauschern ab, «aber es sind sogar
sehr
vornehme Männer dort, obwohl sich die meisten Gentlemen natürlich im königlichen Cockpit im St. James Park vergnügen. Aber Mr. Webber hat mir anvertraut, er habe dort Mitglieder des Oberhauses
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