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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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renommierte Druckerei führte. Dazu, so hatte sie gedacht, bedurfte es einer außerordentlichen Erscheinung, einer Ausstrahlung verführerischer Männlichkeit. Vielleicht, so dachte sie nun, verlor man den Blick für die Realität, wenn man auf dem Theater lebte, wo Helden den olympischen Göttern ähnelten.
    Bendix Hebbel war ein völlig unauffälliger Mann. Träfe sie ihn morgen auf der Straße, würde sie ihn unerkannt vorübergehen lassen. Er mochte etwa dreißig Jahre alt sein, sein Gesicht war blass und schmal, das Haar glatt und dunkelblond, wohl wirkte er hoch gewachsen, tatsächlich maß er nur wenig mehr als die durchschnittliche Größe. Er schien eher hager als schlank, seine Schultern bewiesen, dass seine Arbeit häufig eine gebeugte Haltung forderte.
    «Ihr braucht meine Hilfe, Mademoiselle?» Er blickte sie freundlich prüfend an und stopfte das Leintuch, mit dem er sich die Hände abgerieben hatte, flüchtig in seine Rocktasche. «Verzeiht, wenn ich Euch nicht die Hand gebe, es ist nur wegen der Druckerschwärze.» Er hielt entschuldigend seine beschmutzten Hände hoch. «Ich habe gerade dem Lehrjungen gezeigt, wie man nach dem Druck die Lettern ordentlich säubert. Was kann ich für Euch tun? Ihr wollt etwas drucken lassen?»
    «Ja, Monsieur Hebbel. Ihr seid doch Monsieur Hebbel?», fragte sie und fuhr, als er nickte, fort: «Ich habe hier eine Liste. Eigentlich wollte ich sie mit der Feder kopieren, aber ich brauche sie zwanzigfach. Einmal habe ich sieschon abgeschrieben, es war schrecklich mühsam, Fehler zu vermeiden.» Sie reichte ihm die auseinander gefalteten Bögen und erklärte: «Es ist eine Liste von Münzen, die mein Onkel für seine Sammlung erwerben will. Er hat mich gebeten, danach Ausschau zu halten, und es erscheint mir einfacher, sie bei den Münzhändlern zu hinterlegen, als immer wieder zu erklären, was wir suchen.»
    Hebbel las schweigend die ersten Zeilen, blickte kurz auf den zweiten und den dritten Bogen. «Bei uns», sagte er dann und schaute auf, «wird es keine Fehler geben. Jeder gedruckte Bogen wird von den Korrektoren geprüft, und wenn der Setzer falsche Lettern eingefügt hat, was gelegentlich vorkommt, werden sie ausgetauscht. Die Drucke, die Ihr schließlich bekommt, werden ganz und gar fehlerfrei sein.» Bendix Hebbel, das war offensichtlich, war stolz auf seinen Berufsstand. «Wenn Ihr mir bitte in die Druckerei folgen wollt. Wir haben dort Musterbücher, aus denen Ihr die Art der Schrift und ihre Größe bestimmen könnt. Am besten», wieder glitt sein Blick über den ersten Bogen, «nehmen wir drei verschiedene Schriften und zwei Größen. So wird die Liste schön übersichtlich. Oder vier Schriften, wenn wir die Medaillen von den Münzen absetzen wollen.» Plötzlich stutzte er, hob den Kopf und starrte sie an. «Woher kommt Ihr? Aus welcher Stadt?»
    Rosina schluckte. Auf diese Frage war sie so schnell nicht vorbereitet. Was war die richtige, die klügste Antwort?
    «Aus Sachsen», sagte sie und holte tief Luft. «Eigentlich. Zuletzt habe ich in Hamburg gelebt.»
    Bendix Hebbels Gesicht veränderte sich auf dramatische Weise. Es wurde noch bleicher, nur um gleich daraufwie von Röte übergossen zu sein, seine grauen Augen wurden dunkel, seine Lippen pressten sich aufeinander, und Rosina fühlte heißen Triumph.
    «Monsieur Hebbel», sagte sie leise, «mögt Ihr Hamburg nicht?»
    Doch er hörte ihre Worte nicht. «Sie hat Euch geschickt», flüsterte er und griff hart nach ihrem Arm. «So sagt mir doch: Hat sie Euch geschickt? Hat sie diese fatale Hochzeit doch noch abgesagt?»
    ***
    Wagner atmete auf, als sie endlich von der Russel Street in die Covent Garden Piazza einbogen und in den Schatten der breiten Kolonnaden traten. Seine Füße taten ihm mindestens so weh wie sein Kopf, er war müde, schlecht gelaunt und fragte sich, wie Karla noch genauso munter sein konnte wie am Morgen, als sie mit Titus das Haus in der Henrietta Street verlassen hatten.
    Er war insgeheim froh gewesen, als der Hanswurst der Becker’schen Gesellschaft sich erbot, ihn zu begleiten. Titus war nicht nur bärenstark, er sah auch so aus, und seine Miene unter dem struppigen gelben Haar konnte so grimmig werden, dass selbst dem frechsten Straßenräuber die Lust verging, seiner Arbeit nachzugehen. Dass Karla sie begleitete, hatte ihm nicht gefallen, aber es war immer noch besser, als sie allein in der Henrietta Street zurückzulassen, wo sie ganz bestimmt keine halbe Stunde geblieben

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