Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
die Augen, um auf der langen Fahrt nach Hause ein wenig zu schlafen.
Kapitän Lasser beobachtete Kate Frith, wie sie ihren Fischeintopf aß. Mit weniger Begeisterung allerdings, als er es in Erinnerung hatte. Er bemerkte die Unruhe in ihren Händen. Irgendwie hatte sie sich verändert, und zwar auf eine Art und Weise, die er nicht ganz ergründen konnte. Er fragte sich, ob sie mit ihrem Leben im Exil glücklich war. Ihr Mann schien genauso wie zuvor, so als hätte er einen Zaubertrank aus einer Quelle beständiger Fröhlichkeit getrunken. Er hatte ein freundliches Wesen, das es einem schwer machte, ihn nicht zu mögen – obwohl Tom es versuchte.
»Dann habt Ihr also in Antwerpen Arbeit im Kontor gefunden? Habt Ihr dort genug zu tun? Wenn Ihr wollt, spreche ich mit …«
»Nein, danke, das ist nicht nötig. Ich versichere Euch, dass wir gut zurechtkommen. Auch wenn das Kontor klein ist, gibt es dort für mich mehr als genug zu tun. Es ist zwar nicht das, was ich mir vorgestellt habe, aber sobald mein Freund Tyndale nach Antwerpen kommt, werde ich mehr Arbeit haben, als ich bewältigen kann.«
»Es überrascht mich, dass Tyndale es sich leisten kann, Euch zu bezahlen. Ich will damit sagen … nun ja, ich weiß, dass sich seine Übersetzungen und seine Traktate gut verkaufen; schließlich habe ich schon einige davon mit meinem Schiff transportiert, aber sie sind billig zu erwerben, und Tyndale kann sie wohl kaum zum marktüblichen Preis drucken lassen, wenn man bedenkt, welches Risiko der Drucker eingeht.«
»Oh, ich erwarte keine Bezahlung. Manche Dinge tut man einfach um ihrer selbst willen«, sagte Frith. Das hörte sich in Toms Ohren ein wenig wichtigtuerisch an. »Ich hoffe so viel ansparen zu können, dass meine Frau und ich unser Auskommen haben, wenn Tyndale nach Antwerpen kommt. Wir sind ja nur zu zweit.«
Tom bemerkte, wie Kate bei seinen Worten die Augen schloss. Es war im Grunde nur ein kurzes Augenzwinkern, aber sie wandte dabei den Blick von ihrem Mann ab, so als wären diese Worte unerträglich für sie.
Tom sah ebenfalls weg, denn es war ihm peinlich zu sehen, dass Kate tief verletzt war. Vor dem Bullauge erhob sich dort, wo eigentlich blauer Himmel hätte sein sollen, plötzlich eine Wand aus schroffen Klippen.
»Wir fahren jetzt in die Meerenge ein. Hier ist der Kanal sehr schmal. Ich sollte besser wieder nach oben gehen.« Dann fügte er noch hinzu: »Vielleicht wollt ihr ja mit an Deck kommen. Die Klippen bieten einen herrlichen Anblick, schöner als jede Kathedrale.«
»Ich würde gern ein wenig mit Endor plaudern«, sagte Kate. Sie vermied es, ihren Mann anzusehen, als sie hinzufügte: »Geh du nur hinauf, John.«
Für Tom hörte sich das an, als würde sie ihn wegschicken, John aber schien das nicht zu bemerken. Er drückte seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf die Wange und kletterte hinter Tom die Leiter hinauf.
»Es freut mich, Euch wiederzusehen, Endor. Geht es Euch gut?«, sagte Kate, nachdem die beiden Männer gegangen waren.
Endor nickte feierlich, ergriff lächelnd Kates Hand und tätschelte sie, so als wolle sie sagen, ja, es gehe ihr gut und sie freue sich ebenfalls, sie zu sehen. Dann nahm sie Kates Becher vom Tisch und sah sie fragend an.
»Nein. Keinen Wein mehr. Aber ich würde gern etwas Wasser trinken.« Dann fiel ihr ein, dass frisches Wasser auf See keine Selbstverständlichkeit war, und ergänzte: »Wenn Ihr welches habt.«
Endor lächelte wieder und nickte, dann nahm sie Kates Becher und hielt ihn unter den Hahn eines kleinen Holzfässchens, das an der Wand angebracht war. Kate hatte angenommen, dass es Ale enthielt.
»Wollt Ihr Euch nicht einen Augenblick zu mir setzen?«, fragte sie, als Endor ihr das Wasser gab.
Mit einem überraschten, aber erfreuten Gesichtsausdruck nahm Endor Kate gegenüber am Tisch Platz, lehnte sich jedoch nicht zurück, sondern verharrte, auf der Kante des Stuhles hockend, wie ein Vogel, der gleich losfliegen will.
»Ich denke oft an Euch.« Kate griff in ihr Mieder und zog das Emblem der heiligen Anna heraus, das sie um den Hals trug. »Dies hier erinnert mich stets an Euch.«
Endor nickte lächelnd.
Kate steckte den Anhänger wieder in ihr Hemd, spürte das Metall auf ihrer Haut, als es zwischen ihre Brüste rutschte. Dann legte sie ihre Handflächen auf den Tisch, um ihre nervösen Finger ruhig zu halten, während ihr Zeigefinger leicht über die glatten Bretter des Tisches strich. Da sie nicht wusste, wie sie anfangen sollte,
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