Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
aufgeschrieben.« John zeigte auf die Confessio Augustana , das Augsburger Bekenntnis. »Sie haben es sowohl auf Deutsch als auch auf Latein gedruckt. Ich habe Euch die lateinische Fassung mitgebracht, da ich die deutsche nicht bekommen habe. Ich nehme an, dass man alle deutschen Exemplare eingezogen hat, nachdem man den Text trotz des Widerstandes des Reichstags, der das unbedingt verhindern wollte, laut vorgelesen hat.«
»Wie hat der Kaiser darauf reagiert?«
»Das kann ich nicht genau sagen, da man mich nicht in den kleinen Saal gelassen hat. Ich weiß jedoch, dass es verlesen wurde, weil der Sprecher es mit kräftiger, klarer Stimme vorgetragen hat, so laut, dass er selbst durch die geschlossene Tür zu vernehmen war. Als er am Ende über die Missstände sprach, was die Verbreitung der Lehre angeht, gab es großen Beifall und Jubelrufe – zumindest draußen vor der Tür.«
Rogers hielt das Dokument hoch und übersetzte:
»Die Kirchen bei uns lehren mit großer Übereinstimmung …« Nachdem er die neunundzwanzig Artikel sorgfältig durchgelesen hatte, fragte er: »Stimmt Ihr dem Inhalt dieses Dokuments zu?«
»Ja, zum größten Teil. Besonders dem Hauptpunkt, der Erlösung, die durch den Glauben und nicht durch Taten erfolgt, was sich insbesondere gegen das Bußsystem der Kirche richtet. Und ich bin auch der Meinung, dass es den Klerikern erlaubt sein sollte zu heiraten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Vergebung der Sünden nur durch die Kirche und ihre Priester möglich sein sollte. Ich bin mehr dafür, dass jeder Mensch sein eigener Priester ist, also für eine Art Laienpriesterschaft, so wie sie die frühen Lollarden gelehrt haben. Was ich aber wirklich nicht verstehe, ist, warum Luther nicht einsieht, dass Transsubstantiation ein Trugschluss ist.« Er zuckte mit den Schultern. »Natürlich spielt das alles im Grunde keine Rolle, da der Reichstag sich kategorisch geweigert hat, auch nur einen einzigen der Kritikpunkte anzuerkennen.« Erst jetzt erinnerte sich John wieder an seine guten Manieren und an den Grund, weshalb Rogers in letzter Minute nicht nach Augsburg reisen konnte. »Wie geht es übrigens Eurem kranken Freund?«
»So Gott will, wird er wieder gesund.«
»Nun, dass Ihr hiergeblieben seid, war ohnehin die klügere Entscheidung. Wenn Ihr dieses eilends gedruckte Dokument studiert habt, werdet Ihr genauso viel wissen wie alle, die in Augsburg waren. Dieses Exemplar trägt sogar eine grobe Nachbildung von Luthers Unterschrift und Siegel, daher lohnt es sich wahrscheinlich, es trotz seiner schlechten Qualität aufzubewahren, denn eines Tages mag es zu einem Dokument von einiger Bedeutung werden. In ihm wird die reformierte Position sehr klar umrissen, auch wenn sie meiner Meinung nach manchmal nicht weit genug geht.«
»Unseren gemeinsamen Freund habt Ihr auf dem Reichstag nicht gesehen?«
»Nein, das habe ich nicht.«
Roger rollte die Blätter zusammen und gab John damit einen Klaps auf die Schulter, während seine Augen vergnügt funkelten.
»Nun, wir haben in Eurer Abwesenheit etwas von ihm gehört. Wir erwarten ihn täglich.«
»Ihr wollt damit sagen …«
»Tyndale weiß, dass Ihr in Antwerpen seid. Er will hier an der Übersetzung des Alten Testaments arbeiten, und wir beide sollen ihm dabei behilflich sein.«
»Da sind ja wunderbare Neuigkeiten. Wunderbare Neuigkeiten.« John konnte nicht anders. Er sprang auf, packte seinen Freund an den Schultern und schüttelte ihn so heftig, dass er ihn fast umgeworfen hätte.
Rogers lachte.
»Ja, das sind in der Tat wunderbare Neuigkeiten.«
Vorfreude stieg in John auf. Endlich!
»Bewahrt aber über sein Kommen noch Stillschweigen. Eurer Frau dürft Ihr es natürlich sagen, aber sagt ihr auch, dass sie vorsichtig sein soll. Wir müssen sehr diskret sein. Erst gestern klopfte jemand an die Tür und hat sich nach Master Tyndale erkundigt. Der Pförtner versuchte den Mann abzuwimmeln, aber er war sehr hartnäckig, beinahe schon aggressiv. Es war schon das zweite Mal, dass er hier aufgetaucht ist. Jetzt, da ich darüber nachdenke, würde ich sagen, das erste Mal war etwa zu der Zeit, als Ihr hier eingetroffen seid. Er sagte, er sei Engländer, von Beruf Handschuhmacher, und suche nach einem Landsmann.«
In John regte sich ein vages Gefühl des Unbehagens.
»Er behauptete, er habe eine Botschaft von Seiner königlichen Majestät, Heinrich VIII ., König von England, für Master Tyndale, der, wie man ihm gesagt habe, hier sei, und dass
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