Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
es gebührend bewundern konnte. »Ein Kirchendiener der Kathedrale von Westminster hat doch tatsächlich behauptet, er kenne den Mann, obwohl ich mir den Namen ausgedacht habe. ›Ein eindrucksvoller, grauhaariger Ritter«, habe ich gesagt, ›mit einem Leberfleck genau auf der Nasenspitze.‹ ›Ja, ja, an den erinnere ich mich gut. Grüßt ihn von mir‹, hat der arme Narr geantwortet.«
Sie betrachtete das hochoffiziell aussehende Dokument, das er mit seiner schönen Handschrift gefälscht hatte, und staunte über den Mut und den Einfallsreichtum ihres Mannes.
»Warum musstest du eine Genehmigung vorweisen? Man hat uns doch nie nach einem solchen Dokument gefragt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass unser Lehrling eines gehabt hätte.«
Das Lächeln verschwand, und auf seinem Gesicht erschien plötzlich ein wütender Ausdruck, wie sie ihn bei ihm noch nie gesehen hatte.
»Das ist das Werk des ach so wohltätigen Kanzlers More. Er hat im Parlament ein Gesetz eingebracht und durchgesetzt, das besagt, dass jeder gesunde Mann, der außerhalb seines angestammten Pfarrbezirks angetroffen wird und kein Papier vorweisen kann, das ihm zu betteln erlaubt oder das beweist, dass er einer geregelten Beschäftigung nachgeht, nackt ausgezogen, an einen Karren gebunden und öffentlich ausgepeitscht werden soll, bis er am Leibe blutet.«
Kate stand plötzlich der Rücken ihres Bruders mit den streifigen Narben vor Augen, unmittelbar gefolgt von einem Bild von Margaret Roper, die von der Wohltätigkeit ihres edlen Vaters sprach. Der altvertraute Zorn stieg in ihr auf.
John aber konnte mit seinem ihm offenbar angeborenen freundlichen Wesen nicht lange zornig sein. Er lachte, als wäre das alles nur ein Spiel und nicht eine Angelegenheit, bei der es um Leben und Tod ging, während er sein schmutziges Wams auszog und das Futter mit einem Messer aufschlitzte. Dutzende von Briefen fielen heraus.
»In jedem ist Geld«, verkündete er stolz, »und auch ermutigende Worte für unsere Sache.« Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.
Er sei allein zurückgekommen, sagte er, ohne Barnes’ Geleitschutz, weil er die Briefe abliefern wolle – und natürlich, um seine wunderschöne Frau in die Arme schließen zu können. Es sei ihm jedoch nicht gelungen, beim König vorstellig zu werden, aber das hätte wahrscheinlich ohnehin keinen Sinn gehabt. Als Kanzler sei More jetzt völlig versessen darauf, jeden Reformator, dessen er habhaft werden könne, zu verbrennen. Als John anfing, die Namen von Verkäufern, Käufern und Lesern der Bibel aufzuzählen, die von Sir Thomas More und Bischof Stokesley persönlich verhört worden waren, erstarrte ihr Herz beinahe vor Angst.
»Erinnerst du dich daran, dass Tyndale und ich uns einmal über einen Mann namens Christoffel von Ruremund unterhalten haben?«
Kate schüttelte den Kopf.
»Er ist … er war …«, sagte John, »ein Holländer, der ungebundene Raubdrucke von Williams Neuem Testament nach England gebracht hat. Er war keiner von uns, aber das spielte keine Rolle. Solange William nur das Wort Gottes unter die Menschen bringen kann, ist es ihm egal, ob oder wer damit Gewinn macht.«
»Du sagtest ›war‹?«
»More hat ihn verhaften und ihn im Tower einsperren lassen, wo er nach einem der ›Verhöre‹ des Kanzlers starb.«
Ihr stockte der Atem.
»Woher weißt du das?«
»An der London Bridge gibt es ein Gasthaus, das Sign of the Bottle, wo sich die Bibelleute treffen. Ich weiß nicht, ob du davon gehört hast. Dein Bruder kennt es bestimmt. Dort habe ich das von Christoffel und ein paar anderen erfahren. Die Frau des Gastwirts hat mir gesagt, dass das Gasthaus unter genauester Beobachtung von Mores Spionen steht.« Er hielt inne und nahm sie bei den Schultern, drückte sie fest an sich. »Sprich niemals mit Fremden über das, was wir hier tun, Kate. Auch nicht mit den Frauen, mit denen du dich immer triffst. Manchmal wünschte ich, du wärst damit zufrieden, einfach zu …« »Du weißt, dass ich das nicht wäre«, sagte sie, bevor er die Worte aussprechen konnte, die sie nicht hören wollte – schon gar nicht jetzt, da er sich, ohne mit ihr darüber gesprochen zu haben, in eine derart große Gefahr begeben hatte. »Du bist doch derjenige von uns beiden, der die größten Risiken eingeht, der jedem, der dir zuhört, eine Predigt hält und sich sogar direkt in die Höhle des Löwen begibt.«
»Es ist nur so, dass, je weniger Menschen uns kennen und wissen, was wir tun …
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