Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Schweigen das Einverständnis zur Zerstörung seiner Kirche in England.
Die folgende Nacht verbrachte er mit ausgestreckten Gliedmaßen auf dem Boden in seiner Kapelle in Chelsea, während die blutigen Striemen auf seinem Rücken nur langsam trockneten. Er wollte mit dem Blut der Wunden, die er sich beigebracht hatte, einen enttäuschten Christus besänftigen. Aber morgen würde er stark sein. Er würde seine Anstrengungen verdoppeln, um die wahren Feinde seiner Kirche ausfindig zu machen, jene, die danach trachteten, den Heiligen Stuhl zu zerstören. Er tat es für den Christus, den er so sehr enttäuscht hatte. Solange er lebte, würde er sie mit aller Härte verfolgen. Er würde sie zu Hause, im Ausland aufspüren. Thomas More, der Priester, würde die Ketzer als sein Sühneopfer darbringen. Der Geruch des Rauches würde hoch in den Himmel steigen.
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[Richard Bayfield], sowohl Priester als auch Mönch, … fiel der Ketzerei anheim. Er schwor ab, aber nachdem er wie ein Hund zu seinem Erbrochenen zurückgekehrt und über das Meer geflohen war, um von dort aus Tyndales ketzerische Gedanken mit vielen üblen Arten von Büchern hierherzubringen … wurde der Mönch und Apostat in Smithfield verbrannt, so wie er es verdient hatte.
Sir Thomas More über die Verbrennung von Richard Bayfield.
W ährend der nächsten Monate, den ganzen langen Winter hindurch und einen guten Teil des folgenden Jahres, arbeitete die kleine Gruppe von Übersetzern, gestärkt durch den Zuspruch in den Briefen, die John aus England mitgebracht hatte, mit großer Sorgfalt und großem Eifer weiter. Der Tagesablauf wurde von der Arbeit bestimmt, und alles nahm seinen gewohnten, ruhigen Gang.
Kate und John waren auf Tyndales Drängen hin ins Englische Haus gezogen. Kate weigerte sich jedoch, ihre Bibelstunden aufzugeben. Da das Atelier nicht wieder vermietet worden war, erlaubte Catherine Massys den Frauen, sich weiterhin dort zu treffen. Kate freute sich darüber, dass die Zahl der Teilnehmerinnen stetig wuchs. Sie hätte John gern an dieser Freude teilhaben lassen, hielt es aber nicht für klug, dieses Thema anzusprechen. Er hatte diesen Treffen nur zugestimmt, um Kate zu besänftigen, die sich dagegen gesträubt hatte, bei Familie Poyntz einzuziehen. Anderswo sei es nicht mehr sicher, hatte er argumentiert, jetzt, da immer mehr Flüchtlinge aus England kamen. Früher oder später würden sie zwangsläufig jemandem wie Stephen Vaughan über den Weg laufen, der John oder sogar Kate erkannte.
Vaughan, der sich wieder in Antwerpen aufhielt, behauptete steif und fest, nicht mehr als Spion für den König zu arbeiten, aber sie trauten seinen Worten nicht. Er hatte ihnen durch einen englischen Kaufmann, mit dem er eine oberflächliche Freundschaft pflegte, mitteilen lassen, dass man in England einen von Tyndales Großhändlern gefasst hatte. George Constantine war unter Mores wochenlangen Verhören zusammengebrochen, hatte die Namen von Kapitänen, Druckereien und auch die geheimen Codes preisgegeben, mit denen die Kisten mit der speziellen Fracht gekennzeichnet wurden. Vaughan behauptete, dass er um seine eigene Sicherheit besorgt sei, da es hieß, Constantine habe ihn als einen Verbündeten der Flüchtlinge in Antwerpen bezeichnet.
Selbst Tyndale verließ nun seltener das Haus, nachdem ihn derselbe Kaufmann gewarnt hatte, dass der König Thomas Elyot, dem neuen englischen Botschafter am kaiserlichen Hof, den Auftrag erteilt hatte, ihn zu ergreifen und nach England zurückzubringen. Tyndale hatte sich während seiner Jahre im Exil sehr bedeckt gehalten, aber inzwischen gab es viele, die ihn auf offener Straße erkennen würden. Er ging zwar noch immer in die ärmsten Viertel der Stadt, um dort Almosen zu verteilen, aber nicht mehr so oft. Manchmal begleitete ihn John, der dies Kate jedoch nicht gestattete.
Sie diskutierten oft und lebhaft darüber, was diese oder jene Bibelstelle wirklich bedeuten mochte und was dafür die beste Übersetzung sei oder ob der »ärmste, ungebildetste Bauer« in England das eine oder das andere Wort besser verstehen würde. Mehr als einmal verkniff sie sich ihre Meinung, da sie John nicht in Verlegenheit bringen wollte. Sie wurden immer mehr zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Jeden Freitag stahl sie sich jedoch morgens leise aus dem Haus, in der Hoffnung, keine Aufmerksamkeit zu erregen, damit die beiden nicht auf den Gedanken kamen, dass ihre Treffen mittlerweile zu riskant geworden waren. Aus Angst, man
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