Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Drucker.«
Er hob den Blick und sah ihr direkt in die Augen. Dabei hatte er eine Braue hochgezogen, sodass sie aussah wie die Schwinge einer Krähe.
Ihr Herz raste plötzlich wie wild. Künstler oder Drucker! Die Frage sprudelte aus ihr heraus, bevor ihr bewusst wurde, dass sie dem Mann damit einen entscheidenden Verhandlungsvorteil verschaffte.
»Geht es … geht es ihm gut?«
Der Gefangene zuckte mit den Schultern und sah sie mit dem schiefen Lächeln eines wahren Überlebenskünstlers an. Starke, weiße Zähne blitzten auf. Die Zähne eines Raubtiers, dachte sie. Sie glaubte einen Ausdruck des Triumphs in seinen Augen aufflackern zu sehen, wie bei jemandem, der sich seiner Beute vollkommen sicher ist.
»Ob es ihm gut geht? Nun, ich würde sagen, das ist relativ. Er lebt jedenfalls noch. Und er sitzt nicht hier in den Kellern.«
Kate wusste nicht, was das bedeutete. Aber sie konnte es sich sehr wohl vorstellen. In den letzten Tagen hatte sie mehr über die Gefängnisse der Stadt gelernt, als ihr lieb war. Über die Hierarchie gekaufter Gerechtigkeit im Fleet, die vom vergleichsweisen Komfort der baufälligen Häuser der Liberties draußen vor den Gefängnismauern bis hin zu den stinkenden, fauligen Bedingungen der Keller reichte. Sie hoffte, dass John wenigstens Zugang zu diesem Fenster an der Straße hatte.
Sie griff in ihren Beutel und nahm einen Penny heraus. Der Wachposten war inzwischen abgelöst worden. Der Mann, der jetzt am Tor stand, hatte ihr den Rücken zugekehrt, aber er würde sie bestimmt hören, falls sie um Hilfe rufen musste. Sie hielt dem Gefangenen die Münze so hin, dass sie sich knapp außerhalb seiner Reichweite befand.
»Werdet Ihr meinen Bruder hierherbringen? Morgen?«
»Vielleicht. Aber nur, wenn Ihr dem armen Tom Lasser eine Münze gebt.« Er nickte grinsend, aber dieses Grinsen war wenig vertrauenerweckend. Er schob die flache Blechschüssel durch die Gitterstäbe. Sie ließ die Münze hineinfallen. Als er den Napf wieder zurückgezogen hatte und sah, was darin lag, runzelte er die Stirn. »Entweder Ihr seid tatsächlich sehr arm, oder Eure Wertschätzung für Euren Bruder ist nicht besonders groß.«
»Ich werde morgen wiederkommen. Wenn mein Bruder an diesem Fenster auf mich wartet, werde ich ihm Geld geben, genug Geld, damit für seine Bedürfnisse gesorgt ist – und er es mit anderen teilen kann. So wie ich meinen Bruder kenne, wird er sich gewiss nicht undankbar zeigen.«
Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um. »Morgen früh«, sagte sie über die Schulter gewandt. Dann ging sie davon, während ihr sein Lachen hinterherschallte.
Nachdem sie den Gestank des Fleet River hinter sich gelassen hatte, ermahnte sie sich, sich nicht allzu große Hoffnungen zu machen. Sollte sie wirklich den Worten eines Verbrechers vertrauen, der sie sogar auslachte, nur weil sie so verzweifelt war und sich deshalb an jeden Funken Hoffnung klammerte? Aber zumindest habe ich jetzt Neuigkeiten für Mary, sagte sie sich, als sie das kleine Geschäft in der Paternoster Row erreichte, wo die Fenster im Licht der Dämmerung bereits matt leuchteten.
4
Die muntere Margaret
Wie eine Sommerblume.
Edel wie ein Falke
Oder Habicht im Turm.
aus einem Gedicht von John Skelton,
15. Jahrhundert.
A m nächsten Morgen kehrte Kate zur Common Side des Fleet-Gefängnisses zurück und stand tapfer den Spießrutenlauf an den vergitterten Fenstern an der Farringdon Street durch. Sie war benommen vor Erwartung und Sorge, während sie versuchte, das obszöne Johlen, die lüsternen Rufe und das Betteln um Geld zu ignorieren. Ich muss das einfach durchstehen, dachte sie, und versuchte sich zusammenzureißen. Als sie das Fenster erreichte, das sie sich gemerkt hatte, sagte ihr ein einziger Blick, dass die Zelle und auch die Zelle daneben mit anderen Gefangenen besetzt waren. Sie dachte noch einmal ganz genau nach. Ja, das war das richtige Fenster. Ganz bestimmt. Die Frau war in der ersten Zelle gewesen, die dem Eingang zum Hof am nächsten lag, und der Mann in der Zelle nebenan.
Der alte Wachmann, der nur noch Zahnstümpfe im Mund hatte, lehnte auch heute am eisernen Pfosten des Tores. Er beobachtete sie argwöhnisch, während sie auf ihn zuging und überlegte, wie sie ihn am besten ansprach.
»Gestern hat in der ersten Zelle dort noch eine Frau gesessen. Was ist mit ihr geschehen?«
»Wir tauschen die Gefangenen regelmäßig aus. Damit jeder seine Chance bekommt.«
Ihr Herz setzte einen Schlag
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