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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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in seiner Tasche verschwinden, dass sie kaum sah, wie sich seine Hand bewegte. »Kommt morgen wieder«, sagte er. »Aber kommt zeitig. Ich kann mich nicht für den ganzen Tag verbürgen.«
    Kate war sich nicht sicher.
    Sie war noch vor Morgengrauen aufgestanden, war dann ruhelos auf und ab gegangen, während sie darauf wartete, dass der Tag anbrach. Schließlich hatte sie ihren Umhang umgelegt, dann eine Laterne genommen, in der eine Talgkerze brannte, und war auf die dunkle, stille Straße hinausgetreten. Ein leichter Morgennebel lag über der Stadt, hüllte die Straßen ein, sodass ihre Laterne mit der rußenden Kerze aussah wie ein Geisterlicht, das den Weg entlanghüpfte – aber zu dieser frühen Stunde war niemand unterwegs gewesen, um dies zu bemerken.
    Das Gefängnis lag gespenstisch ruhig vor ihr, als sie im ersten Licht des Tages darauf zuging. Ein einsamer Lumpensammler ging mit seinem quietschenden Karren an ihr vorbei, auf dem Weg in eine einträglichere Gegend. Selbst die Tauben, die auf dem Dach saßen, hatten die Köpfe noch unter die Flügel gesteckt. Alle Zellen wirkten verlassen. Dann plötzlich, so als hätten die Wände Ohren und ihre leichten Schritte vernommen, begannen ein oder zwei Gefangene mit ihren Blechnäpfen an die Fenstergitter zu schlagen. Sie näherte sich vorsichtig dem zweiten Fenster nach dem Tor und sah hinein, sorgfältig darauf bedacht, nicht zu nah heranzugehen, damit nicht einer der Gefangenen seinen knochigen Arm durch das Gitter streckte und sie festhielt.
    Sie hielt ihre Laterne hoch und versuchte in der dunklen Zelle etwas zu erkennen. Auf einem Haufen von Lumpen saß ein Mann mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, den Kopf zwischen den Knien. Fettige blonde Haarsträhnen hingen ihm ins Gesicht. Kate war sich nicht sicher, wen sie da vor sich sah. Der feuchte Nebel war durch das offene Fenster in die Zelle gedrungen. Die hängenden Schultern, der mutlos gesenkte Kopf, das entsprach in keiner Weise Johns so stolzer Haltung.
    »John?«, fragte sie und drückte ihr Gesicht gegen die kalten, eisernen Gitterstäbe. Genauso gut hätte sie auch mit einer Statue sprechen können. »John, ich bin’s. Kate.«
    Der Mann hob den Kopf. Ein Gesicht, so bleich wie die kalte Asche im Kamin der Zelle sah sie aus der Düsternis an. Es war Johns Gesicht – und auch wieder nicht. Er war so hager und ausgezehrt, dass ihr Tränen in die Augen traten. »Komm zum Fenster«, sagte sie mit sanfter Stimme, um ihn nicht zu erschrecken.
    Er schirmte seine Augen vor dem Licht ihrer Laterne ab, starrte sie an wie jemand, der eine Geistererscheinung hat. »Kate?«, fragte er leise, rührte sich jedoch nicht.
    »Ja, John. Ich bin es, Kate. Komm zum Fenster, damit wir miteinander sprechen können.«
    Er stand langsam auf und machte ein paar Schritte, zögerte dann, so als wäre er sich nicht sicher, was er als Nächstes tun sollte.
    »Komm schon, John. Komm zum Fenster, damit wir miteinander sprechen können«, wiederholte sie sanft.
    »Kate?«, flüsterte er. Dann machte er einen weiteren, unsicheren Schritt. »Mein Gott, du bist es wirklich.«
    Seine Stimme klang krächzend, verhaltener, aber ohne jeden Zweifel, es war Johns Stimme. Kates Wangen waren nass von Tränen. Sie wischte sie hastig fort. John sollte sie nicht weinen sehen. Er kam zum Fenster und schob seine Hände durch die Gitterstäbe, um ihren Umhang zu packen, so als fürchte er, sie könne davonlaufen. »Gott sei Dank, Kate. Ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen – keinen von euch –, Mary und …« Seine Stimme brach. »Geht es ihnen …«
    Sie stellte die Laterne auf das Fenstersims, wo sie nur einen wackeligen Stand fand, und griff durch die Stäbe, um sein Gesicht zu berühren.
    »Mary geht es gut, John. Mach dir keine Sorgen, es geht uns allen gut. Auch Pipkin. Er fragt ständig nach dir. Wir sagen ihm immer, dass sein Papa eine Reise macht und bald wiederkommen wird. Mary wird vor Freude außer sich sein, wenn sie hört, dass ich dich gefunden habe.«
    Die Flamme in der Lampe zischte, der Docht rauchte. Kate sollte den Geruch eines erlöschenden Kerzendochts für den Rest ihres Leben mit diesem Moment verbinden, jetzt jedoch bemerkte sie ihn kaum. Die heraufziehende Morgendämmerung spendete bereits genügend Licht, dass sie sein Gesicht sehen konnte.
    Ihre Finger strichen leicht über eine verschorfte Wunde auf seiner Stirn … es blieb später noch genug Zeit, um sich danach zu erkundigen. Sie folgte mit ihren

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