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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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könnten Euch hören.« Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen. »Wenn Ihr Eure Predigt niederschreiben könntet – nicht nur stichpunktartig, sondern ausformuliert, könnte ich sie ihnen vorlesen. Es wäre dann beinahe so, als wärt Ihr persönlich anwesend. Das wäre ein großer Gewinn für uns alle.«
    Als John nicht sofort antwortete, fuhr er fort. »Natürlich würde ich nichts von Euch verlangen, was Euch in Gefahr bringt. Wir hungern nur so sehr danach, das Wort Gottes wirklich zu verstehen. Aber die Kirche hat das, was heilig sein sollte, zu einem verstaubten, abergläubischen Ritus verkommen lassen.«
    Wie hätte John einer solch verwandten Seele etwas abschlagen können?
    »Wie lange seid Ihr noch in London?«
    »Nur noch bis morgen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es so schnell schaffe. Ich muss sehr vorsichtig sein, sonst …«
    William Holt zuckte mit den Schultern.
    »Wenn es zu schwierig ist … dann vielleicht ein andermal. Aber ich werde Euch, bevor ich London verlasse, auf jeden Fall noch einmal besuchen, sofern man es mir gestattet. In der Nähe der Tower Bridge ist ein Gasthaus, in dem sie eine wirklich gute Fleischpastete machen. Ich werde Euch eine mitbringen.«
    »Dürfte ich Euch bitten, zwei mitzubringen? Hier ist ein Mann namens Petite, ein Lebensmittelhändler, der unglücklicherweise mit Thomas More in Konflikt geriet«, er lachte bitter, »so wie uns das allen früher oder später passieren kann. Man hat sein Haus durchsucht, aber nichts gefunden. Es gibt auch keinen einzigen Zeugen, der gegen ihn aussagen würde, aber More weigert sich einfach, ihn freizulassen, obwohl er sehr krank ist. Der Kämmerer erlaubt mir von Zeit zu Zeit, ihn zu besuchen. Eine ordentliche Fleischpastete würde ihn mit Sicherheit aufmuntern.«
    »Dann also zwei Fleischpasteten«, wieder ein Augenzwinkern, »und noch mehr Apfelkuchen, um das zu ersetzen, was Ihr heute Abend verbraucht. Es ist ohnehin ein viel zu geringer Lohn für die gute Arbeit, die Ihr leistet. Ich werde morgen wiederkommen.«
    Sein Besucher trat in den Flur hinaus. Der Wärter schlurfte herbei und schloss die Tür ab. Sobald John hörte, dass sich der Schlüssel im Schloss drehte und sich die Schritte entfernten, stürzte er sich auf den Apfelkuchen und zog die darin versteckte Feder und das Papier heraus. Dann schob er den klapprigen kleinen Tisch, den Cromwell ihm zur Verfügung gestellt hatte, in die Mitte der Zelle, stieg auf die Tischplatte und entfernte vorsichtig einen lockeren Stein aus der Decke.
    »Psst, Petite«, rief er flüsternd. »Seid Ihr wach?«
    Er vernahm eine leise gekrächzte Antwort. »Kommt zu dem Loch. Ich habe einen Leckerbissen für Euch.« Dann steckte er ein großes Stück Apfelkuchen hindurch.
    Eine Hand erschien und nahm den Kuchen entgegen.
    »Gott segne Euch, John Frith, Gott segne Euch.«
    John stieg wieder vom Tisch herunter. Er zündete seine Talgkerze an, nahm die Feder, tunkte sie in die »Blutwurst« und begann zu schreiben: »Die Messe ist kein Opfer. Sie soll uns vielmehr an das Opfer und das Heilsversprechen erinnern, das Gott uns erbracht hat.«
    Die Flamme der Kerze brannte still und hell. Ihre Beständigkeit lenkte ihn vorübergehend ab, faszinierte ihn. Wie in Trance hielt er seinen mit Tinte befleckten Zeigefinger in die Flamme. Gleich darauf riss er die Hand mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück. Er legte den Finger an seine Lippen, um ihn zu kühlen. Das hatte Thomas Bliney auch immer getan, bevor er verbrannt wurde, um sich dem Schmerz zu stellen. Werde ich auf dem Scheiterhaufen denselben Mut zeigen wie er ?, fragte er sich. Vielen anständigen Männern ist das nicht gelungen.
    Es nicht zu tun würde jedoch den Herrn enttäuschen, und er würde Schande über sich – und seine Frau – bringen. Er würde niemals den Kummer in Kates Gesicht vergessen, als sie von ihrem Bruder gesprochen hatte. Er hielt den Finger wieder in die Flamme. War es nur Einbildung, oder ertrug er es diesmal schon ein wenig länger? Als er ihn schließlich wegzog, legte er ihn nicht wieder auf seine Lippen, sondern nahm, den Schmerz ignorierend, seine Feder zur Hand und begann zu schreiben.

37

    Anne Bulleine, Marquess von Pembroke, wurde in Greenwych zur Königin ausgerufen und noch am selben Tage in der Königskapelle zur Königin von England gekrönt.
    Die Ereignisse des 12. April 1533, niedergelegt in der Chronik Englands während der Tudorherrschaft.
    V on einer Aussichtsplattform, die man über dem Tower

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