Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
wenn Tyndale ihm auf den Scheiterhaufen folgen sollte, würde Kapitän Lasser für sie da sein.
Der Pfarrer nickte den beiden Soldaten zu, die rechts und links des Scheiterhaufens standen, woraufhin diese mit ihren brennenden Fackeln das Strauchwerk am Rand in Brand setzten. Ein Murmeln ging durch die Menge, nur eine einzige tapfere Stimme erhob sich: »Lasst sie gehen. Sie haben nichts Unrechtes getan.«
»Ihr dürft ihnen nicht mehr Mitleid entgegenbringen, als ihr räudigen Hunden entgegenbringen würdet«, ermahnte der Pfarrer die Menge.
Wie aus dem Nichts erhob sich eine Windbö, strich durch Johns Bart, blies ihm eine Haarlocke ins Gesicht und zerrte an seinem lockeren Gewand. Er war froh, dass er die zwei Schilling, mit denen er seine Heimfahrt hatte bezahlen wollen, in den Saum seines schlichten leinenen Kittels gesteckt hatte. So war er beschwert, bis er Feuer fing. Wenn sein Gewand verbrannte, würden die Flammen seinen nackten Körper verdecken.
»Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!«, rief er, so laut er konnte. Er würde mit den Worten der englischen Bibel auf den Lippen sterben.
Die Menschen in der Menge sahen mit großen Augen zu ihm hinauf: einige neugierig, einige angstvoll, einige fassungslos, so als wollten sie am liebsten davonlaufen, doch etwas hielt sie zurück. Einige weideten sich an dem Schauspiel. Er konnte es daran erkennen, wie sie sich die Lippen leckten. Andere unterdrückten ihre Tränen. Wieder andere sahen weg. Er bemitleidete sie alle und betete um die Gnade, dem Pfarrer, Bischof Stokesley und Thomas More vergeben zu können. Er wollte nicht mit hasserfülltem Herzen vor Gott treten.
»Gesegnet sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.« Selbst er war überrascht, wie laut seine Stimme ertönte, obwohl er innerlich zitterte.
Das Holz war in Form einer Pyramide aufgestapelt, und die Plattform war mit Pech bestrichen worden. Er packte Andrews Hand fester, als sich die Flammen knisternd durch den trockenen Zunder nach oben fraßen und ein Funkenschauer aufstob.
»Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden«, ertönte jetzt Andrews Stimme. Die Flammen erfassten ihre Kleidung.
»Selig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden«, rief John. »Selig, die …« Die Hitze und der Rauch nahmen ihm den Atem, und er konnte nicht mehr weitersprechen.
Er spürte, wie Andrews Hand in der seinen erschlaffte, und war froh darüber.
»Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich«, rief plötzlich eine Stimme in der Menge.
Aber das hörte John schon nicht mehr.
Zum Steelyard ist es kein großer Umweg, dachte der Wärter, als er seinen Dienst beendete und sich auf den Heimweg machte. Die Frau hatte gesagt, dass der Kapitän ihn für seine Dienste bezahlen würde. Aber selbst wenn er es nicht tat, hatte sich, angesichts der Lage, in der sie sich befand, selbst in seinem abgestumpften Herzen so etwas wie Mitleid geregt. Ihr Klagen und hysterisches Weinen hatten dazu geführt, dass man beschloss, sie in den Frauentrakt zu den anderen Wahnsinnigen zu sperren, die angekettet werden mussten. Als die Aufseherin kam, hatte sie sich jedoch wie ein Lamm wegführen lassen. Er hatte schon viele Frauen gesehen, die mit demselben starren Blick im Trakt der Wahnsinnigen verschwunden waren. Sie alle waren nur in ein schmutziges Leichentuch gewickelt wieder herausgekommen.
Als er den Steelyard erreichte, suchte er die Kais nach einem Schiff namens Siren’s Song ab, sah jedoch keines, das so hieß. Er machte sich achselzuckend auf den Heimweg, während er sich fragte, was es mit dem ausgebrannten Schiffsrumpf auf sich hatte, der wie eine tote Ente im Hafen herumdümpelte. Anscheinend wollte das Unglück in diesen Tagen einfach nicht abreißen.
Als Tom Lasser die Nachricht las, die Kate ihm geschrieben hatte, legte sich die Angst so schwer wie das Gewicht eines Ankers auf seine Brust. Sie würde in allen Gefängnissen nachfragen, so wie damals, als sie ihren Bruder gesucht hatte. Diesmal aber war sie nicht zurückgekommen. Er versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie John vielleicht sogar gefunden und einen Wärter überredet hatte, bei ihrem Mann bleiben zu dürfen. Also würde auch er damit beginnen, in den Gefängnissen nachzufragen. Er kam jedoch nicht weiter als bis zum Fleet-Gefängnis.
Nein, sie hätten hier niemanden namens John Frith, sagte
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