Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
wie John seinen Gesellen, ihren ehemaligen Freier, in der Kunst des Druckens unterwiesen hatte. Wenn dieser faule, unzuverlässige, nichtsnutzige Kerl es gelernt hatte, dann konnte sie das gewiss auch. Sie würde wahrscheinlich ein paar Durchgänge zur Übung brauchen. Das Ganze sah nach einer schmutzigen Angelegenheit aus, an der sie bestimmt wenig Gefallen finden würde. John ging nie auch nur der kleinste Spritzer Farbe daneben, sie aber sollte sich vielleicht besser die Druckerschürze umbinden.
Sie nahm die Druckform und trug sie zu der großen Holzpresse in der Ecke hinüber.
»Hier, ein zartes kleines Häppchen für dich, du großes hölzernes Ungeheuer«, sagte sie, als sie mit einiger Schwierigkeit und heftig schnaufend die Form auf die Druckvorrichtung presste. Der nächste Schritt bestand darin, die Farbe aus dem großen Tintenbehälter, der am Sockel der Presse angebracht war, mit einem ledernen Kissen auf die Form aufzutragen. Aber wie viel Farbe war dazu nötig? Sie rührte die Farbe um, die während Johns Abwesenheit eingedickt war. Wie viel Terpentin sollte sie zugeben? Sie schüttete ein wenig davon hinein, rührte um, schüttete noch etwas Terpentin nach und begann mit dem Lederkissen die Farbe aufzutupfen. Ein paar Tropfen spritzten daneben, dann noch ein paar, schließlich entstand ein großer Klecks. Hätte sie das Papier zur Seite legen sollen, bevor sie die Farbe auftrug? Nun, beim nächsten Mal weiß ich es besser, dachte sie, als sie sich die Stirn an ihrem Arm abwischte und sich bemühte, das feuchte Blatt Papier in die Halterung zu klemmen. Wenn John das tat, sah es immer so einfach aus. Sie schob die Vorrichtung – den Drucktiegel, wie John sie nannte – unter die Platte, schloss die Augen und senkte die Platte, um sie gegen die eingefärbte Form zu pressen.
Heraus kam ein klecksiges, verschmiertes Blatt, das in keiner Weise zu gebrauchen war.
»Verdammt!«, brüllte sie, knüllte das Blatt zusammen und begann noch einmal von vorn. Zwei Stunden und etliche Versuche später wurde ihr eines bewusst: Dieses Handwerk würde sie wohl niemals lernen. Es blieb ihr also nur noch eines übrig: Wenn sie das Geschäft behalten wollten, musste es ihr irgendwie gelingen, Johns Freilassung zu erwirken.
Sie putzte, noch immer mit den Tränen kämpfend, die Tintenspritzer weg, als vorn im Geschäft die Ladenglocke klingelte. Das hätte ein willkommenes Geräusch für sie sein müssen, aber wer brauchte schon Kundschaft, wenn er keine Ware hatte? Sie seufzte, wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging zur Tür.
5
Ich habe deinem Ehemann gegenüber lange Zeit Nachsicht geübt … und ich habe ihm meinen bescheidenen väterlichen Rat zukommen lassen, aber ich musste erkennen, dass ihn nichts und niemand zur Einsicht zu bringen vermag; und daher, Meggie, werde ich nicht länger mit ihm streiten oder diskutieren.
Sir Thomas More an seine Tochter Margaret über William Ropers ketzerische Ansichten.
A ls Kate den Laden betrat, klingelte die Glocke bereits zum zweiten Mal. Sie zog ihre fleckige Schürze aus, warf sie über den Haken neben der Tür und öffnete diese dann gerade so weit, um die Frau, die draußen stand, in Augenschein nehmen zu können. Sie war jung, ungefähr so alt wie Kate. Dem Aussehen nach eine Adelige – kostbar gekleidet, das Gesicht von einer herzförmigen Kappe mit einer Borte aus Staubperlen eingerahmt –, aber sie war keine schöne, nicht einmal eine ansehnliche Frau. Ihre Nase war zu groß und ihre Brauen ein wenig zu struppig. Ihre Augen standen so weit auseinander, dass das Gesicht jedes Ebenmaß verlor. Diese weit auseinanderstehenden Augen sahen jedoch überaus intelligent in die Welt. Sie besaß die Eleganz und das Selbstbewusstsein, die nur eine Frau der Oberschicht auszeichneten. Darüber hinaus war sie sehr gepflegt. Kate strich sich verlegen über ihren zerzausten Schopf.
»Es tut mir leid, Mylady, aber wir haben vorübergehend geschlossen. Wir sind so gut wie ausverkauft und müssen unseren Bestand erst wieder aufstocken«, sagte Kate und schickte sich an, die Tür wieder zu schließen.
Die Frau legte eine behandschuhte Hand auf die Tür.
»Dann bin ich anscheinend zur rechten Zeit gekommen«, sagte sie. »Ich möchte nämlich kein Buch kaufen, sondern eines drucken lassen.«
»Wie ich bereits sagte, wir haben geschlossen. Mein Bruder ist Drucker. Und er ist im Moment nicht da.«
»Oh, ich dachte …« Die Frau warf einen bedeutungsvollen Blick auf
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