Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Kates mit Druckerschwärze beschmiertes Gewand.
»Ich habe nur gerade die Presse gereinigt.«
»Nun, wann kommt Euer Bruder denn wieder?«
»Das kann ich Euch nicht sagen.«
»Dann werde ich auf ihn warten«, sagte die Frau, ihre gebieterische Haltung beibehaltend. Sie trat ein, durchquerte das Zimmer und nahm auf dem einen Stuhl Platz, der noch im Raum stand. »Lasst Euch durch mich nicht von Eurer Arbeit abhalten. Wenn es Euch recht ist«, fügte sie mit einer gebietenden Handbewegung hinzu.
Die Geste wurde zwar von einem Lächeln begleitet, aber Kate war dennoch verärgert. Sollte sie etwa sagen: Nein, es ist mir nicht recht ? Das wäre eine grobe Unhöflichkeit. Also antwortete sie stattdessen:
»Dann könnte es sein, dass Ihr sehr lange werdet warten müssen, Mylady. Der Drucker sitzt nämlich im Gefängnis.«
Der erschrockene Ausdruck, der bei dieser freimütigen Erklärung auf dem Gesicht der Frau erschien, wich rasch einer ernsthaft besorgten Miene.
»Ach du liebe Güte. Das tut mir aufrichtig leid.« Das ehrliche Mitgefühl dieser Fremden war für Kate nach ihrem so erfolglosen Kampf mit der Druckerpresse einfach zu viel. Ehe sie sich versah, schossen ihr Tränen in die Augen, und es sprudelten unbesonnene Worte aus ihrem Mund.
»Es ist nicht richtig«, erklärte sie und wischte dabei eine Träne fort. »Das Rechtssystem ist nur noch der reine Hohn – Wolsey, More und all die anderen, die Kirche und die Anwälte der Krone handeln, als wären sie selbst das Gesetz. Sie sprechen von Rechtschaffenheit und Tugend, während sie ohne jede Rücksicht das Leben jener zerstören, die nicht ihrer Meinung sind.«
Wäre Kate nicht so aufgebracht gewesen, hätte sie sicher bemerkt, dass sich die Miene der Fremden immer mehr verfinsterte.
»Vor allem der oberste Berater des Königs, Sir Thomas More – ich brauche den Namen dieses Mannes nur zu erwähnen, schon beginnt mein Bruder am ganzen Leib zu zittern. More ist der Schlimmste von allen. Ein frommer Heuchler, der sich an den Qualen anderer Menschen ergötzt.«
Kate war über die Heftigkeit ihres Ausbruchs selbst überrascht. Ihr Bruder hatte weder Sir Thomas More noch irgendeinen der Männer, die ihn vernommen hatten, jemals namentlich erwähnt. Als sie ihm jedoch einmal vorgeschlagen hatte, sie sollten die Angelegenheit dem mächtigen Thomas More vortragen, war John kreidebleich geworden. Er war aufs Höchste erregt gewesen und beruhigte sich erst, als sie ihm versprochen hatte, More nicht aufzusuchen.
»Ich verstehe Eure Sorge«, sagte die Frau jetzt mit erheblich weniger Mitgefühl in der Stimme, »aber Ihr irrt Euch. Wenn Euer Bruder tatsächlich unschuldig ist, dann wird er bestimmt freikommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn sie erst einmal erfahren haben …«
»Zeit, sagt Ihr. Wir haben aber keine Zeit mehr! Und wie sollten sie etwas erfahren, wenn sie nicht einmal bereit sind, mich anzuhören! Ich war unzählige Male beim Bischof und dem Bürgermeister, und ich wurde jedes Mal abgewiesen. Ich würde mich sogar an Sir Thomas More persönlich wenden, wenn ich das Geld hätte, um ihn zu bestechen. Ihr versteht nicht, Lady …«
»Margaret.« Die Stimme ihrer Besucherin war plötzlich frostig geworden, jedes Mitgefühl war daraus verschwunden. »Margaret Roper. Mistress William Roper – die Tochter von Sir Thomas More.«
Kate wünschte sich, der Erdboden würde sich unter ihr auftun und sie verschlingen. Jetzt hatte sie alles nur noch viel schlimmer gemacht. John würde jetzt niemals mehr aus dem Gefängnis kommen. Das, was sie über das Bestechungsgeld gesagt hatte … Lieber Gott, wenn sie das alles nur zurücknehmen könnte.
»Es tut mir leid, Mylady. Das hätte ich nicht sagen dürfen«, stotterte Kate. »Ich wollte Euch bestimmt nicht beleidigen. Ich hätte meine Ansichten für mich behalten sollen.«
»Dann bedauert Ihr also nur die Worte, aber nicht Eure Überzeugung?«
»Es wäre nicht aufrichtig, etwas anderes zu sagen als das, was mein Herz und mein Verstand mir gebieten. Das wäre gegenüber Mylady gleichermaßen beleidigend.«
Mistress Ropers Mundwinkel zuckten, fast schien es Kate so, als würde sie lächeln.
»Das habt Ihr schön gesagt. Ich bewundere Ehrlichkeit. Und ich will ebenfalls ehrlich zu Euch sein. Ihr wisst, dass es eine Sünde ist, das leere Geschwätz jener zu wiederholen, die einen anderen um sein Glück beneiden. Mein Vater ist in ganz England als großer Mann bekannt.«
»Ich bestreite nicht, dass Euer
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