Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
rechtfertigen würden. Niemand hat gegen ihn ausgesagt. Er hat kein Geständnis abgelegt, nicht einmal unter der Folter. Man hält ihn ohne ordentlichen Prozess in der Liberty des Fleet gefangen, während seine Frau und ich für seine Unterbringung unser gesamtes Hab und Gut verkaufen müssen.«
»Hat er denn lutherische Ansichten?«
Mistress Roper war die Tochter eines Anwalts. Das wurde mit dieser Frage mehr als deutlich. Kate hielt inne, wog ihre Antwort sorgfältig ab.
»Mylady, kein Mensch kann in das Herz eines anderen hineinsehen. Das, was er sagt, ist das, was von Bedeutung ist.«
»Ich verstehe. Und was ist mit Euch? Hegt Ihr Sympathien für die Lutheraner?«
Kate zögerte und sah der Fragestellerin direkt in die Augen, sodass sie diese ihre Antwort nicht missverstehen konnte.
»Ich habe meinem Bruder versprochen, dass wir in diesem Geschäft niemals lutherische Schriften verkaufen werden. Wie auch immer meine Meinung zur Kirche oder zu anderen Dingen aussehen mag, so ist das meine persönliche Ansicht, und ich ziehe es vor, diese für mich zu behalten.«
Lady Margaret lächelte matt.
»Eine diplomatische Antwort und eine, die mein Vater zu schätzen wissen würde. Ich verstehe die Anziehungskraft solcher Gedanken durchaus. Sie haben bereits meinen eigenen Haushalt infiziert. Auch mein teurer Ehemann wurde vom lutherischen Reformeifer in den Bann gezogen.«
»Und dennoch ist er ein freier Mann.«
Lady Margaret nickte, so als wolle sie sagen: Ich verstehe, was Ihr meint.
»Ich werde mit meinem Vater sprechen und sehen, ob Euch und Eurem Bruder Vergünstigungen gewährt werden können. Wie lautet der Name Eures Bruder noch einmal?«
»Gough. John.«
»Und Euer Name?«
Kate zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, ein Zögern, das Lady Margaret gewiss nicht entgangen war. Aber hatte sie denn überhaupt eine Wahl? Zudem zeigte die Frau mit ihrem Verhalten durchaus Mitgefühl. Man konnte es ihr kaum zum Vorwurf machen, dass sie ihren Vater liebte. Vielleicht konnte sie ja tatsächlich ihren Einfluss nutzen, während sie gleichzeitig ein gutes Werk tat.
»Kate Gough«, sagte sie und machte dabei einen kleinen Knicks. »Mylady, wir werden für Eure Freundlichkeit stets dankbar sein.«
»Ich werde tun, was in meiner Macht steht, Kate Gough«, sagte sie, »aber ich werde auch dafür beten, dass Ihr und Euer Bruder in den Schoß der einzig wahren Kirche zurückfindet.«
Als Kate am nächsten Tag vom Besuch bei ihrem Bruder zurückkam, musste sie feststellen, dass der Riegel verbogen, die Eingangstür zum Buchladen offen und die Druckerpresse zertrümmert war.
Drei Tage später kam John nach Hause.
Kate war enttäuscht, als John nicht sobald wie möglich ins Geschäft zurückkehrte, sondern erst einmal zu Hause bei seiner Frau und seinem Kind blieb. Er braucht einfach noch ein paar Tage Ruhe, sagte sie sich. Als sie ihm jedoch von der zerstörten Druckerpresse erzählte, reagierte er völlig anders, als sie es erwartet hatte. Er schien inzwischen so betäubt zu sein, dass er zu keinerlei Gefühlen mehr fähig war, nicht einmal Wut und Zorn schien er mehr empfinden zu können.
»Das ist eine unmissverständliche Warnung«, sagte er, »die wir beherzigen werden.«
»Aber wie sollen wir ohne Presse etwas drucken? Und was sollen wir verkaufen, nachdem du unsere gesamte Ware verbrannt hast?«
»Für eine Weile gar nichts, denke ich. Es sind schwierige Zeiten für die Drucker angebrochen. Ohne Genehmigung des Königs dürfen wir nichts drucken, und für die Art von Büchern, die zu unserem Warenbestand gehörten, werden wir niemals eine Genehmigung bekommen.«
Sie saßen in Johns und Marys Häuschen, das jetzt nur noch karg möbliert und gerade mal mit einem Bett und einem Tisch ausgestattet war. Den Schrank, den größten Teil des Geschirrs und sogar den Wandteppich, der ein Hochzeitsgeschenk von Marys Eltern gewesen war, hatten sie verkaufen müssen. Jetzt war die Miete für das Dach über ihrem Kopf fällig, und sie konnten sie nicht bezahlen.
»Wovon sollen wir ohne die Druckerpresse leben, John? Sollen wir als Nächstes Pipkins Wiege verkaufen? Sollen wir zu viert zusammengepfercht in meinem winzigen Zimmer über dem Laden wohnen? Natürlich könnten wir, jetzt da die Presse weg ist, ein Bett in der Druckerei aufstellen«, fügte sie bitter hinzu. »Aber wir müssen noch immer etwas zu essen kaufen.«
Sie bedauerte auf der Stelle ihre Bemerkung über die Wiege, aber wenigstens brachte sie ein
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