Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Beobachtung. Ein Mann meiner Gilde, ein Kaufmann namens Swinford, wird nach Little Sodbury fahren. Er hat uns schon einmal begleitet. Sagt John, dass Swinford am ersten September im Morgengrauen vom Kai ablegen wird.«
»Swinford, Little Sodbury, Morgengrauen«, wiederholte sie, so als wolle sie sich diese Information einprägen.
Er nahm die Bibel und wandte sich zum Gehen. Dann drehte er sich noch einmal kurz zu ihr um.
»Sagt John, dass er mich besuchen soll, wann immer er Lust dazu hat. Ich würde gern mit ihm sprechen. Und macht Euch keine Sorgen wegen der Wycliffe-Bibel. Ihr wisst, wo sie sich befindet. Solltet Ihr sie zurückhaben wollen, bekommt Ihr sie jederzeit.« Er deutete mit dem Kopf auf den kleinen ledernen Geldbeutel, den sie in der Hand hielt. »Seht das nur als Leihgebühr. Vielleicht könnt Ihr etwas von dem Geld verwenden, um neue Ware für Euer Geschäft zu kaufen. Ich werde die Bibel lediglich für Euch aufbewahren, bis in England die Zeit gekommen ist, in der man ohne Gefahr für Leib und Leben ein solch herrliches Buch besitzen darf.«
Nachdem er das Geschäft verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, verspürte Kate den schier unbeherrschbaren Drang zu schreien und irgendetwas zu zerbrechen. Aber leider besaß sie nichts mehr, bis auf ihr Herz, und sie war fest entschlossen, es niemals zuzulassen, dass es zerbrach. Ein gebrochenes Herz in der Familie reichte völlig aus. Abgesehen davon begann sich in ihrem Kopf langsam die Andeutung einer Idee zu formen.
Erster September. Little Sodbury. Swinford. Morgengrauen.
Neuer Warenbestand.
Aber sie hatte John etwas versprochen. Allerdings fragte sie sich, ob dieses Versprechen jetzt, da er das Geschäft, und auch sie, aufgegeben hatte, noch bindend war. Was würde geschehen, wenn sie die Waren nicht im Geschäft verkaufte? Sie kannte alle Kunden und konnte auch direkt bei ihnen vorstellig werden. Oder sie konnte das Geschäft in »Goughs Papierwarenhandlung« umbenennen – damit würde sie sich immer noch im gesetzlichen Rahmen bewegen, wenn auch nicht geistig – und es mit der nach wie vor bestehenden Genehmigung weiterführen können. Sie könnte Papier, Schreibfedern, Siegelwachs und Ähnliches anbieten und unter dem Ladentisch lutherische Bücher an ihre alten Kunden verkaufen.
Sie schmiedete weiter Pläne, während sie die Tür zum Hinterzimmer öffnete, in dem sich früher die Druckerei befunden hatte. Die zerstörte Presse hatte ihr Bruder in eine Ecke geschoben, wo sie wie ein großes Ungeheuer hockte und sie zu verspotten schien. Auf dem Boden verstreut lagen noch die zusammengeknüllten Ergebnisse ihrer Versuche als Druckerin. Kate stieß sie ungehalten weg, während sie zu dem Schrank ging, in dem ihr Bruder sein Arbeitsmaterial aufbewahrte. Sie stöberte darin herum, bis sie fand, was sie suchte. An einem Haken hinter ein paar alten, trockenen und rissigen Tintenkissen hingen eine Männerhose, ein altes Hemd und eine von Johns Mützen.
Ihr blieb noch eine Woche bis zum ersten September, in der sie über ihren törichten Einfall noch einmal gründlich nachdenken konnte. Es war nur ein dummes Hirngespinst, aber wenigstens lenkte sie der Gedanke an ein solches Abenteuer ein wenig von ihren düsteren Zukunftsaussichten ab. Sie drehte ihre Haare auf dem Kopf zusammen. Dann setzte sie die Mütze auf. Sie saß tadellos.
7
Ich erhielt von rechtschaffenen, ehrbaren Männern die Nachricht, dass man in Bristol einige der verderblichen Bücher nachts auf die Straßen geworfen und vor die Türen der Häuser gelegt hat, um die Menschen mit dieser kostenlosen Gabe zu vergiften, da man die schädlichen Bücher nicht zu verkaufen wagte.
Sir Thomas More über das Schmuggeln von Bibeln.
J ohn Frith lag im Dunklen und lauschte auf das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Türschloss drehte, während er gegen die Erschöpfung ankämpfte, die ihn in einen seligen Schlummer zu ziehen drohte. Um seinen Geist wach zu halten, rezitierte er im Stillen Homer, wie in dem stinkenden Fischkeller. Den Gedanken an Clerke und Sumner, die dort, um Wasser flehend, in seinen Armen gestorben waren, versuchte er zu verdrängen, genauso wenig wollte er an die Verzweiflung denken, die sie am Ende ergriffen hatte. Gott hatte ihn aus dem Fischkeller errettet, und das wiederum konnte nur eines bedeuten: Es gab für ihn auf dieser Welt noch etwas zu tun.
Nachdem die alte Nonne gegangen war, hatte er sich gezwungen, wach zu bleiben und einen Plan
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