Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
hatte. Mit einem derart großen Paket hätte sie nur neugierige Blicke auf sich gezogen – abgesehen davon wäre es ziemlich schwer gewesen. Es war ein sehr heißer Tag. Der Schweiß lief ihr bereits zwischen den Brüsten und den Schulterblättern hinunter. Falls Monmouth ihr die Bibel abkaufen wollte, würde es ihm gewiss nichts ausmachen, zu ihr in den Buchladen zu kommen – den ehemaligen Buchladen, dachte sie bitter. Als sie an der Zunfthalle nach Sir Humphrey fragte, sagte ihr der Waffenmeister, dass Monmouth wahrscheinlich unten an den Docks zu finden sei.
Sie hielt kurz inne, um zu überlegen, ob es klug war, allein zu den Docks hinunterzugehen. Während sie ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne abschirmte, die sich auf dem Wasser der Themse spiegelte, sah sie zu den Kisten, Fässern und Säcken hinüber, die sich an den Kais stapelten. Nur ein oder zwei Männer arbeiteten in der Mittagshitze. Sie luden gerade Säcke mit Getreide ab und waren zu beschäftigt, um sie überhaupt zu beachten. In der Ferne sah sie Sir Humphrey. Sie erkannte ihn an seinem reich verzierten Gewand, auch wenn er bei dieser Hitze eher verschwitzt als eindrucksvoll aussah. Armer Mann. Kate war ihm schon zweimal begegnet, als er in den Laden gekommen war, um mit John zu sprechen. Einmal hatte ihn seine Frau begleitet, die auf ebenso lächerliche Weise übertrieben gekleidet gewesen war. Nach ihrem damaligen Verhalten zu urteilen, hielt Sir Humphrey es wahrscheinlich für einfacher, in der sommerlichen Hitze mit dicken Beinlingen und wattiertem Wams herumzulaufen, als sich der scharfen Zunge seiner Frau auszusetzen.
Sir Humphrey kam wohl von dem einsamen Schiff, das auf dem sonnenbeschienenen Fluss am Kai lag. Sein Gesicht über dem großen Spitzenkragen offenbarte einen Ausdruck tiefster Zufriedenheit, während er in einem kleinen Buch las. Er lächelte breit, dann ließ er das Buch rasch wieder in seinem voluminösen Wams verschwinden. Kate kam plötzlich der Gedanke, dass seine extravagante Kleidung möglicherweise noch einem anderen Zweck dienen könnte als seine Frau zufriedenzustellen.
Kate Gough, du bist eine Närrin! Sir Humphrey war ein Mann, der Bibeln nach England einführte. Warum sollte er noch eine weitere brauchen? Und überhaupt, was genau sollte sie zu ihm sagen? Es wäre besser gewesen, sie hätte ihm eine Nachricht zukommen lassen, in der sie ihn darum bat, in den Laden zu kommen. Sie hatte gerade beschlossen, zum Zunfthaus zurückzugehen und den Waffenmeister zu fragen, ob sie Sir Humphrey eine Nachricht hinterlassen dürfe, als Monmouth sie erkannte.
»Mistress Gough«, rief er. Seine Waden in seinen pfauenblauen Strümpfen traten deutlich hervor, als er winkend auf sie zugerannt kam. »Habt Ihr Neuigkeiten von John?«
»Ja. Er wurde aus dem Gefängnis entlassen«, sagte Kate. Da sie jedoch nicht wusste, was sie sonst noch sagen sollte, fügte sie hinzu: »Aber er ist nicht mehr er selbst.«
»Lasst ihm Zeit«, sagte Sir Humphrey. »Ich weiß, wie die Angst die Seele eines Mannes vergiften kann. Der große Thomas More persönlich hat mein Haus durchsucht. Glücklicherweise bin ich, genauso wie John, gewarnt worden und konnte gerade noch rechtzeitig alle belastenden Beweise vernichten.« Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Ich habe auch gehört, dass man mehrere von Garretts Kunden in Oxford verhaftet hat. Einige von ihnen starben sogar am Schweißfieber, während man sie wie gemeine Verbrecher in einem stinkenden Keller gefangen hielt. Ich bin davon überzeugt, John und ich sind verschont worden, um den Kampf fortzusetzen.«
Kate spürte die Hitze der Sonne plötzlich noch deutlicher. Sie wünschte sich weit weg von diesem Ort, denn sie wollte Sir Humphrey nicht sagen, dass Johns Wille gebrochen war. Er würde nie wieder kämpfen.
»Ja, das nehme ich auch an …«
»Kann ich irgendetwas für Euch tun, Mistress Gough? Da John so lange im Gefängnis war, nehme ich an, dass Ihr in finanzielle Bedrängnis geraten seid. Ich weiß, dass er eine Frau und ein Kind zu ernähren hat …« Er griff in sein Wams und zog einen kleinen ledernen Geldbeutel hervor.
Sie lehnte sein überaus großzügiges Angebot mit einem energischen Kopfschütteln ab.
»Wir werden das schon überstehen. Wir besitzen noch ein paar Dinge, die wir verkaufen können.« Sie holte tief Luft. Das war ihre Chance. »Tatsächlich habe ich etwas, das gerade Euch persönlich sehr interessieren könnte, Sir Humphrey. Ein
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