Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
verkleidet und auf den Weg zu den Docks gemacht, während sie sich immer wieder sagte, dass sie besser umkehren sollte, dass der Kaufmann wahrscheinlich sowieso nicht mehr da sein würde oder falls doch, dass er ihre Maskerade auf der Stelle durchschauen würde.
Aber er hatte ihr nur stumm zugenickt. Dann war er in das kleine Boot am Kai geklettert und hatte ihr bedeutet, ihm zu folgen.
»Wir sollten uns besser beeilen. Bei diesem Wetter werden wir nicht schnell vorankommen, und unser Ziel liegt ein gutes Stück stromaufwärts.«
Dann hatte er sich nach vorn gebeugt, um das Tau vom Kai zu lösen. In diesem Moment wurde Kate zum ersten Mal von Panik ergriffen, als sie sich fragte, ob sie sich genauso sicher an Bord des Bootes bewegen konnte wie er.
Der Kaufmann stabilisierte den Kahn. »Ein Mann, der gerade erst aus einer feuchten Gefängniszelle entlassen wurde, sollte aufpassen, dass er in diesem Nieselregen nicht krank wird. Ihr solltet Euch also am besten direkt hinter mich setzen. Mein Rücken wird Euch wenigstens ein wenig Schutz vor dem Wetter bieten. In Reading gehen wir an Land. Vielleicht werden wir dort auch Gelegenheit finden, ein paar Stunden zu schlafen. In dem Haus, wo wir auch sonst immer übernachten. Ein Kutscher wartet dort bereits auf uns. Ich habe auch gehört, dass wir dort einen Begleiter bekommen werden.«
Kate hatte lediglich stumm genickt und sich mit einer Hand an einem Pfahl des Kais festgehalten, während sie vorsichtig einen Fuß in das Boot gesetzt hatte. Die seltsame Bewegungsfreiheit, die ihr die Hose unter dem schweren Mantel schenkte, ließ sie den Abstand falsch einschätzen, und das Boot begann unter ihren Füßen zu schwanken. Sie ließ sich auf die Bank in der Mitte fallen.
Swinford stieß den Kahn mit einem Ruder vom Kai ab, und ihr wurde mit einem flauen Gefühl im Magen bewusst, dass er von ihr erwartete, das andere Ruder zu nehmen. Gott sei Dank war sie früher oft mit John gerudert, bevor er geheiratet hatte. Sie wusste somit, was zu tun war. Sie musste auf die andere Seite, erinnerte sie sich, also rutschte sie eilig nach rechts und ergriff das Ruder. Als sie das Ruderblatt ins Wasser tauchte, spürte sie den Widerstand der Strömung. Schon bald hatte sie sich dem Rhythmus von Swinford angepasst. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass er kein junger Mann mehr war und an jenen Stellen, wo der Fluss breiter und die Strömung weniger stark war, immer wieder eine Pause einlegte, um seinen Armen eine Erholung zu gönnen. Solche Ruhepausen währten jedoch nie lange, denn der Kahn begann schon nach kurzer Zeit wieder flussabwärts zu treiben.
Im Laufe des Vormittags begann es dann noch in Strömen zu regnen.
Als es Mittag wurde, schmerzten ihre Arme schier unerträglich. Es hatte inzwischen zwar aufgehört zu regnen, aber stattdessen hing ein feuchter Dunst in der Luft, der sich auf ihre Haut legte und ihr das Atmen schwermachte. Der wollene Mantel war für eine solche körperliche Betätigung viel zu warm, aber sie wagte nicht, ihn abzulegen. Die Wolle hielt die Feuchtigkeit ab. Ohne den Mantel würden ihr Hemd und ihre Hose rasch durchnässt sein und an ihrer Haut kleben. Der Dunst wurde zu dichtem Nebel, und sie hielten sich näher am Ufer, versuchten den größeren Booten in der Fahrrinne auszuweichen. Kate atmete immer schwerer.
Was aber noch schlimmer war: Sie musste sich erleichtern.
Sie wandte den Blick ab, als Swinford aufstand, am Verschluss seiner Hose herumnestelte und sich an den Rand des Bootes stellte. Ihr Gesicht glühte noch immer, als er wieder auf seinem Sitz Platz nahm.
»Ihr seht ein wenig erhitzt aus«, sagte er. »Ihr solltet es in Eurem geschwächten Zustand nicht übertreiben. Ich kann auch eine Weile allein rudern.«
»Ich wäre dankbar für eine Pause«, krächzte sie.
Ihre Pause brachte ihr jedoch nur wenig Erleichterung. Der gelegentliche Wellengang, der durch das Kielwasser der größeren Boote verursacht wurde, verstärkte ihr Unbehagen. Trotz des widerwärtigen, torfigen Geruchs nach Erde und verfaultem Schilf am Ufer war ihr nicht übel. Sie war einfach nur durchnässt, fühlte sich erschöpft und elend und jetzt auch ein wenig hungrig. Warum hatte sie nicht daran gedacht, etwas zu essen mitzunehmen? Alles, was sie dabeihatte, war der kleine Beutel mit dem Geld, das Sir Humphrey ihr gegeben hatte. Einen kleinen Teil davon wollte sie dafür verwenden, die Waren zu bezahlen, die sie in Empfang nehmen würden.
Jetzt begann es wieder
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