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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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einem wenigstens auf dem Weg die Zeit nicht lang«, sagte Thomas wachsam.
    »Wollt Ihr mit ihm über irgendetwas Bestimmtes reden?«
    Aus Wolseys Worten war Argwohn herauszuhören. Durch seine von keinerlei Erfolg gekrönten Bemühungen, die Scheidung des Königs zu ermöglichen, war er geradezu krankhaft misstrauisch geworden. Thomas beschloss deshalb, ihm gegenüber offen zu sein.
    »Er hat mir von einem Mann namens Phillips erzählt. Einem Mann, der verzweifelt genug ist, um eine, sagen wir, ungewöhnliche Aufgabe zu übernehmen. Mir kam der Gedanke, dass wir auf dem Kontinent einen Mann brauchen könnten, um Tyndale aufzuspüren. Es ist immer von Vorteil, wenn man den Aufenthaltsort seiner Feinde kennt.«
    Der Kardinal schürzte die Lippen und sah Thomas mit zusammengekniffenen Augen an, dann lächelte er.
    »Eine überaus scharfsinnige Beobachtung.«
    Thomas nickte, um das entstandene Schweigen zu überbrücken. Wolsey lehnte sich Halt suchend an eines der Fässer.
    »Ich bin müde, Thomas. Langsam komme ich mir vor wie ein alter Mann. Ich sehe Euch also heute Abend beim Essen.« Er ließ Thomas inmitten der Weinfässer einfach stehen. Als er die Schwelle erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um. »Da ist noch der andere Posten, von dem ich sprach.« Seine Stimme war so leise, dass Thomas sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen. »Ich denke, es ist Zeit, dass ich mich in York zur Ruhe setze. Der Posten des Kanzlers wird also bald frei werden. Ich weiß, dass der König Euch favorisiert. Er sagt, Ihr seid ein überaus integrer Mann«, murmelte er. »Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, dass Ihr für diesen Posten möglicherweise doch nicht der geeignete Mann seid, denn er hat ebenfalls viel mit dem großen, haarigen Hintern des Königs zu tun.« Er lachte wieder in sich hinein, machte eine Kunstpause. »Entweder müsst Ihr ihn abwischen, oder Ihr müsst ihn küssen. Irgendwie kann ich mir bei Euch keines von beidem vorstellen. Das scheint mir eher eine Sache Eures Rivalen zu sein.«
    »Meines Rivalen, Eminenz?«
    »Master Cromwell. Sicher habt Ihr bereits seinen heißen, ehrgeizigen Atem in Eurem Nacken gespürt. Er ist ebenso rücksichtslos wie Ihr, aber er hat keine Prinzipien . Es wird interessant werden zu beobachten, wem der König schließlich seine Gunst schenken wird. Dem glühenden Ketzerjäger oder dem lutherischen Reformer.«
    Thomas bestürzte die Offenheit des Kardinals, wenn auch seine Worte ihn nicht überraschten. Es hatte sich inzwischen herumgesprochen, dass Wolsey in großen Schwierigkeiten war, weil es ihm nicht gelang, die Scheidung durchzusetzen. Solche Worte aber konnten durchaus als Verrat angesehen werden. Thomas wünschte sich, dass er sie nicht gehört hätte. Und Thomas Cromwell! Bei dem Gedanken, dass dieser Mitgiftjäger und Speichellecker bei Hofe es jemals weiterbringen würde als nur Wolseys Berater zu sein, hätte er fast laut gelacht. Cromwell war ungemein ehrgeizig, aber er verstand es einfach nicht, geschickt zu intrigieren. Dass er Reformen durchaus aufgeschlossen gegenüberstand, war ebenfalls bekannt. Der Kardinal ertrug diese Natter an seinem Busen vermutlich nur wegen der gewöhnlichen Herkunft, die ihnen beiden gemein war: Dass der Sohn eines Fleischers sich freute, wenn der Sohn eines Brauers am Sohn des großen Sir John More vorbei befördert wurde, war durchaus nachvollziehbar.
    Dennoch musste er, wenigstens der Form halber, gegen die indiskreten Bemerkungen des Kardinals protestieren. Wer konnte schon wissen, wer an der Tür lauschte?
    »Euer Eminenz …«
    Wolsey unterbrach ihn.
    »Übrigens, Councillor. Die Hure des Königs wird heute beim Festmahl anwesend sein. Das wird also für Euch die erste Gelegenheit sein, Euch im Hinternküssen zu üben.«

10

    Es erstaunt mich, dass Ihr so dumm seid, Euch mit diesem törichten Mädchen bei Hofe einzulassen, Euch sogar mit ihr zu verloben. Ich meine Anne Boleyn.
    Kardinal Wolsey zu Lord Percy laut der Aussage von Kardinal Wolseys Diener.
    D ie Trompeten schmetterten. Der Zeremonienmeister hob seinen weißen Stab und verkündete mit einer Stimme, die die Musik, das Knurren der Hunde, das Gelächter der Gäste und das Scharren von Stühlen und Bänken laut übertönte: »Seine Majestät, der König.« Stille legte sich über die Versammlung der Höflinge, als Lady Anne Boleyn am Arm von Heinrich Rex den prächtigen Saal von Hampton Court betrat. Anne straffte den Rücken und reckte ihr Kinn, eine

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