Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
der anderen Wand zu. Als er seinen Namen hörte, sah er kurz auf, hielt dabei gerade lange genug inne, um sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn zu wischen.
»Sir Thomas! Ich bin verwundert, Euch hier zu sehen. Ich meine, hier unten.«
»Auch ich bin überrascht, Euch hier anzutreffen. Als ich unten am Dock nach Euch fragte, sagte man mir, ich solle es hier in den Küchen versuchen. Arbeitet Ihr jetzt in Hampton Court?«
»Wenn der König zum Essen kommt, müssen wir alle hier Dienst tun, sonst verlieren wir unsere Lizenz als Bootsführer. Aber wenn ich hier fertig bin, gehe ich zu den Docks zurück. Falls Ihr also einen Bootsführer braucht, der Euch heute Nacht nach Hause fährt, werdet Ihr mich dort finden.«
»Das ist gut, Robert. Ihr seid einer der besten Bootsführer auf dem Fluss. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich Euch gesucht habe. Können wir uns irgendwo ungestört miteinander unterhalten?«
Robert warf einen kurzen Blick auf die Öfen.
»Es dauert nur eine Minute, das verspreche ich Euch.«
»In der Anrichtekammer ist höchstwahrscheinlich noch niemand.«
»Geht voran, ich folge Euch«, sagte Thomas. Gemeinsam betraten sie einen kleinen Raum, in dem zwei gebratene Pfaue standen, die man wieder in ihr buntes Federkleid gesteckt hatte und die in Kürze die Tafel des Königs zieren würden. Tabletts mit Kuchen, die wie eine Krone geformt und mit echtem Gold überzogen waren, standen ebenfalls bereit. Einen dieser Kuchen würde man ohne Zweifel auch Thomas servieren. Er hoffte, dass der König gerade nicht hinsehen würde, wenn er das Gold abkratzte. Kostbare Metalle sollte man allenfalls als Schmuck tragen – und nicht essen.
Der Mann begann unruhig zu werden.
»Ich komme direkt zur Sache, damit Ihr so schnell wie möglich wieder zu Eurer Arbeit zurückkehren könnt. Als Ihr mich das letzte Mal gefahren habt, habt Ihr mir von einem Mann namens Harry Phillips erzählt, für dessen Vater Ihr gearbeitet habt – Ihr habt ihn als Taugenichts bezeichnet, als jemanden, der für Geld alles tun würde. Könnt Ihr mir sagen, wo ich diesen Mann finde?«
Der Diener sah ihn verblüfft an, aber Thomas wusste, dass er es niemals wagen würde, ihn zu fragen, weshalb jemand in seiner Position mit einem solchen Mann sprechen wollte.
»Ich habe in Chelsea eine Arbeit für ihn. Eine Drecksarbeit, die nur jemand macht, dem das Wasser bis zum Hals steht. Ich glaube, Ihr sagtet, dieser Harry sei ein durchaus gebildeter Mann, der aber leider ein paar verhängnisvollen und teuren Lastern verfallen sei. Nun, diese Art von Menschen steckt häufig in Geldschwierigkeiten.«
Robert wischte sich wieder mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. Schweißperlen glitzerten auf den Haaren seines Unterarms. Aus dem großen Saal hinter der Anrichtekammer hörte man, begleitet von scheppernden Pfannen, einen lauten Ruf:
»Wo ist Robert? Wir brauchen mehr Holz für die Backöfen!«
»Ihr könnt wieder an Eure Arbeit gehen. Wir wollen doch nicht, dass der Kardinal nur halb gebackenes Brot bekommt.«
»Aye, ganz bestimmt nicht.« Robert grinste.
»Ich warte nach dem Essen unten an den Docks auf Euch. Wenn Ihr mich so rechtzeitig nach Hause bringt, dass ich mit meiner Frau frühstücken kann, soll es sich für Euch lohnen. Über diesen Harry Phillips und darüber, ob er für diese Arbeit der Richtige ist, werden wir später noch sprechen.«
»Roberrrt!«
»Ich komme«, rief der Diener in Richtung der unbekannten Stimme, dann sagte er zu Sir Thomas: »Ich werde kommen, sobald man mich gehen lässt, Mylord.«
»Ich werde den Kardinal beim Essen bitten, meinen bevorzugten Bootsführer für mich freizustellen.«
Thomas musste jedoch nicht bis zum Essen warten. Auf dem Weg aus der Küche kam er an dem Treppenabsatz vorbei, von dem aus ein paar Stufen zu dem Raum führten, in dem, dicken, runden Insektenpuppen gleich, mehrere Reihen von Weinfässern lagerten. Zwischen den Fässern entdeckte er Wolsey, der sich in seinem leuchtend roten Pluviale und dem Hut auf dem Kopf prüfend nach vorn beugte, während der Kellermeister gerade eine Tülle in das Spundloch eines Fasses steckte und etwas Wein in einen Becher laufen ließ. Beim leisen Schlurfen von Thomas’ Pantoffeln auf dem Steinboden blickte Wolsey auf.
»Thomas«, sagte er und winkte ihn heran, »kommt und kostet diesen Wein. Und sagt mir, ob er für die Tafel des Königs geeignet ist.«
Der Kellermeister ließ den Rotwein im Becher kreisen, sodass ein
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