Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Frachtstücke zum Kutscher durchreichten, der sie auf dem Wagen verstaute. Sie stellte sich an das Ende der Reihe, direkt beim Boot, wo der Mann, der im Heck gesessen hatte, die Bündel ans Ufer reichte. Sie begannen mit den leichtesten Paketen, die zuoberst lagen. Als die schwereren Kisten an der Reihe waren, in denen Kate Bücher vermutete, auch wenn sie die Aufschrift »Gewürze« trugen, stellte sich Lady Walsh neben sie, um ihr zu helfen.
Der Kapitän stand ein wenig abseits und sprach mit Lord Walsh. Sie tauschten Papiere aus, und Lord Walsh übergab ihm einen Geldbeutel, den der Kapitän lächelnd und mit einem zustimmenden Kopfnicken in der Hand wog. Etwas an seiner selbstsicheren Art, an seinem breiten Lächeln, bei dem seine weißen Zähne im Mondlicht aufblitzten, weckte eine vage Erinnerung in ihr. Aber nein, gewiss bildete sie sich das nur ein. Wo sollte sie einen Schiffskapitän kennengelernt haben, noch dazu einen Kapitän, der zugleich Schmuggler war?
Sie luden das letzte Stück Fracht aus, eine kleine Kiste, auf der der Buchstabe B eingebrannt war. Kate und Lady Walsh ergriffen sie – dem Gewicht nach vermutete Kate, dass sie ebenfalls Bücher enthielt –, als der Kapitän zu ihnen trat, ihnen die Kiste abnahm und sie Lord Walsh übergab.
»Auf die müsst Ihr besonders gut aufpassen. Sie ist für Lady Anne bestimmt. Man sagte mir, dass Ihr persönlich dafür sorgen werdet, dass sie sicher in Hever Castle übergeben wird.«
»Da hat man Euch richtig informiert. Wir werden sie nicht zur Kirche in Worle bringen. Ich nehme sie gleich mit nach Little Sodbury.«
Hinter ihnen schnaubten die Pferde ungeduldig.
»Sie wollen nach Hause und sich ausruhen«, sagte der Kapitän. »Und wir täten gut daran, dasselbe zu tun. Sagt dem Passagier, den ich hätte mitnehmen sollen, dass ich nächsten Monat wieder hier sein werde, falls er so lange warten kann.«
»Wir freuen uns, Euch bald wiederzusehen«, sagte Lord Walsh. »Eure Arbeit ist gefährlich, Tom, aber sie ist die Mühe wert.«
Der Kapitän tat das Kompliment mit einem Schulterzucken ab. »Nun, ich werde dafür ja auch sehr gut entlohnt. Die Hanse sorgt dafür. Und was die Gefahr angeht.« Er lächelte und berührte das kurze Schwert an seinem Gürtel. »Da habe ich einen Gefährten an meiner Seite, der treuer ist als die meisten Menschen.«
Er ließ seine Hand leicht, beinahe zärtlich auf dem Heft ruhen. Kate schauderte, als sie daran dachte, wie leicht es war, mit dieser Klinge einen Menschen zu durchbohren. Seine Ärmelmanschette aus weißer Spitze fiel über das silberne Heft und bedeckte seine Hand zur Hälfte, sodass nur die langen, schmalen Finger zu sehen waren. Die Spitzenmanschette! Die langen, schmalen Finger, die auf Metall ruhen. Plötzlich wusste Kate, wo sie dieses träge Lächeln, dieses großspurige Auftreten – und eine Spitzenmanschette, wenn auch bei weitem nicht so schneeweiß wie diese –, schon einmal gesehen hatte. Sie stieß vor Überraschung ein leises Keuchen aus.
Er wandte ihr den Blick zu.
»Mistress, fühlt Ihr Euch nicht wohl?«
»Danke der Nachfrage, Sir, mir geht es gut«, sagte sie. Sie schlug die Augen nieder und hoffte dabei inständig, dass er sie nicht erkannt hatte.
»Sind wir uns schon einmal begegnet?«
»Nein, gewiss nicht«, antwortete sie, während sie unverwandt zum Wagen hinübersah.
»Hmmm«, meinte er. Auf seinem Gesicht lag jetzt ein nachdenklicher Ausdruck, dann lächelte er wieder, sodass seine weißen Zähne aufblitzten, und kam auf sie zu. Er legte einen Finger unter Kates Kinn und hob es an, um ihr direkt ins Gesicht sehen zu können. Eine kühne und respektlose Geste – aber was sollte man von einem solchen Mann auch schon anderes erwarten?
»Mary! Nein … nicht Mary!«, sagte er. Dann warf er lachend den Kopf zurück und fragte sie so zwanglos, als wäre er ein alter Freund: »Wie geht es Eurem Bruder, dem Drucker? Ist er wohlauf?«
Sie machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf, so als wolle sie eine Fliege verjagen. Er ließ seine Hand sinken.
»Mein Name ist Kate«, sagte sie. »Mein Bruder wurde aus dem Gefängnis entlassen, aber er ist kein Drucker mehr. Er lebt jetzt mit seiner Frau und seinem Kind auf dem Land.«
Der Kapitän lachte. Sein Lachen klang ein wenig spöttisch. »Dann ist er doch schlauer, als ich dachte, Kate. Ich hatte schon befürchtet, er hätte einen Hang zum Märtyrertum, weil er einen solchen Tod für besonders ehrenvoll hält.«
»Und Ihr habt
Weitere Kostenlose Bücher