Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

diesen Hang wohl nicht? Welche Strafe steht denn auf das Schmuggeln von Bibeln?«
    »Dieselbe wie auf das Schmuggeln von Wein und Gewürzen. Für mich ist das alles ein und dasselbe – Schmuggelware, die Gewinn bringt.«
    »Dann werdet Ihr also jeden Eid schwören, den man von Euch verlangt, wenn man Eurer habhaft wird?«
    »Ich habe nicht die Absicht, mich verhaften zu lassen«, sagte er und trat ein paar Schritte zurück.
    »Lasst Euch von Kapitän Lasser nicht täuschen, Mistress Gough. Er ist nicht so geldgierig, wie er immer tut. Wenn es um ehrenvollere Dinge geht als darum, Gewinn zu machen, habe ich selbst erlebt, dass er Wagnisse eingeht, die kein gewöhnlicher Mann eingehen würde«, sagte Lord Walsh.
    Der Kapitän klopfte dem Lord vertraulich auf den Rücken, so als wären sie einander gleichgestellt.
    »Es gibt nicht Ehrenvolleres, als Gewinn zu machen, mein Freund«, sagte er, als er in das Skiff sprang und die Ruder aufnahm. Das Boot hatte jetzt wesentlich weniger Tiefgang, da das Tuch, das es geladen hatte, bei weitem nicht so schwer war wie die Druckwerke. Er gab dem anderen Ruderer ein Zeichen, das Boot abzustoßen.
    »Es gibt da ein Wagnis, das der Seele Gewinn bringt und nicht dem Geldbeutel«, rief Lady Walsh dem sich entfernenden Boot hinterher.
    »Ich streite mich nie mit einer Dame«, rief der Kapitän zurück, »selbst wenn ich Zeit dazu habe.«
    »Gute Fahrt mit der Siren’s Song, Tom«, rief Lord Walsh, dann drehte er sich zu der kleinen Gruppe am Strand um. »Wir sollten uns auch auf den Weg machen. Sonst nimmt der Priester von St. Martin’s in Worle noch an, dass wir nicht mehr kommen, und geht nach Hause.«
    Kate sah zu, wie das kleine Boot auf der silbernen Bahn davonzog, die der untergehende Mond auf das Wasser warf, und hörte leise die Wellen gegen den Rumpf klatschen. Das Heft des Schwertes, das der Kapitän an seinem Gürtel trug, blitzte kurz im Licht des Mondes auf. Sie runzelte die Stirn, erinnerte sich an seinen Finger an ihrem Kinn und wischte das Gefühl mit ihrem Umschlagtuch weg.
    Am Horizont im Osten wurde es bereits heller, als die Gruppe von Schmugglern nach Little Sodbury zurückkehrte. Kate folgte Lady Walsh völlig erschöpft in deren Schlafgemach, während sie sich fragte, wo und wann sie endlich in ein Bett und in seliges Vergessen sinken konnte. Sie hatten gemeinsam die Kisten und Bündel die schmale Treppe hinauf in das achteckige Türmchen der kleinen Kirche in Worle geschleppt, wo sie ein paar Tage lang zwischen den Dachbalken der Kirche »ruhten«, bevor sie in aller Heimlichkeit, Päckchen für Päckchen, Fass für Fass, herausgeholt und an verschiedene Großhändler und Käufer übergeben werden würden.
    Das einzige Stück, das sie nicht in Worle zurückgelassen hatten, war die kleine Kiste mit dem B, die Lady Walsh jetzt persönlich unter ihrem Bett versteckte.
    »Sie ist für Lady Anne Boleyn bestimmt«, flüsterte sie. »Und es ist nicht die erste Lieferung, die sie bekommt«, fügte sie leise hinzu, während sie in ihrem Wäscheschrank herumkramte, ein sauberes Leinenhemd herausnahm und es Kate gab. »Es heißt, sie sei sehr an Reformen interessiert.«
    »Wollt Ihr damit sagen …«
    »Ja. Und sie wird eines Tages Königin werden, jedenfalls wenn der König seinen Willen bekommt. Wer weiß, wohin das alles führen mag?« Sie zündete an der Lampe, die neben ihrem Bett brannte, zwei Kerzen an und gab Kate eine davon. »Ihr bekommt das Zimmer, in dem auch Master Tyndale untergebracht war, als er unsere Kinder unterrichtete. Sie waren damals zwar schon über das Alter hinaus, in dem sie noch einen Lehrer benötigt hätten, aber seine Ideen waren so anregend. Er hat in diesem kleinen Zimmer wirklich gute Arbeit geleistet. Es ist recht gemütlich. Ihr werdet Euch dort bestimmt wohl fühlen.«
    Sie führte Kate den Gang hinunter und eine Wendeltreppe hinauf in ein kleines Zimmer, das mit einem Bett, einem Schreibtisch und einem Stuhl ausgestattet war. In dem matten, grauen Licht der Dämmerung, das durch ein schmales Fenster fiel, konnte Kate eine Schreibfeder und ein Tintenfass auf dem Schreibtisch ausmachen. Wahrscheinlich hatte Tyndale jene Schreibutensilien benutzt, als er hier wohnte.
    »Ruht Euch jetzt aus, meine Liebe. Wir werden uns morgen weiter unterhalten«, sagte sie. Dann fügte sie mit einem müden Lächeln hinzu: »Nun, es ist wohl bereits morgen. Ich werde wohl langsam zu alt für solche Abenteuer. Wenn ich nach Master Frith gesehen habe,