Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Augen sprachen Zweifel.
Er machte eine ausschweifende Handbewegung.
»Du kannst dich hier einrichten, wie du willst. Jeder wird sein Bestes tun und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen.«
Sie nickte ihm ernsthaft zu.
»Danke.«
Auf der Treppe erklangen Schritte, dann steckte Richard Marshal den Kopf zur Tür hinein.
»Man sucht dich, Matty.« Sein Blick flog zwischen ihr und Hugh hin und her.
»Kann ich nicht einmal zu meinem Hund gehen, ohne dass mir alle hinterherschnüffeln?« Mahelt funkelte ihren Bruder finster an. »Habe ich demnächst sogar auf dem Abtritt noch Publikum?«
»Höchstwahrscheinlich«, versicherte ihr Hugh mit unbewegter Miene. »Heutzutage werden böse Zungen schneller in Bewegung gesetzt als Dreschflegel zur Erntezeit.«
Mahelt stand auf und hob das Kinn. Sie befahl Tripes zu bleiben, wo er war, und rauschte wie eine Königin zur Tür, doch Hugh entging nicht, dass sie verstohlen ein paar Tränen wegwischte. Mitleid stieg in ihm auf. Armes Ding. Sie hatte noch nicht einmal einen Zufluchtsort, an den sie sich zurückziehen konnte, um in Ruhe zu weinen. Stumm trat er zur Seite und ließ ihr den Vortritt.
»Es wäre vielleicht besser, wenn du deine Schwester in die Halle hinunterbegleitest«, sagte er zu Richard.
Die Wangen des Jungen leuchteten hochrot vor Verlegenheit. »Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ihr etwas Unschickliches tut.«
Mahelt warf ihrem Bruder einen wütenden und zugleich vorwurfsvollen Blick zu.
»Natürlich nicht«, erwiderte Hugh beschwichtigend, wohl wissend, dass Richard aus genau diesem Grund zu ihnen heraufgekommen
war. »Aber sie ist deine Schwester, und es wurde eine Übereinkunft getroffen, an die sich alle zu halten haben.« Er deutete auf die Tür.
Wie ein gescholtener Schuljunge bot Richard Mahelt seinen Arm. Hugh neigte den Kopf und wich zurück, um den beiden in einiger Entfernung zu folgen.
»Es tut mir leid«, murmelte Richard. »Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass alles in Ordnung ist.«
»Du bist ein Dummkopf!«, zischte sie. »Natürlich war alles in Ordnung. Außerdem ist es jetzt ein bisschen zu spät, um sich Gedanken um die Ehre der Bigods zu machen, nicht wahr?«
»Ich werde dich vermissen«, gestand Richard bedrückt. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, nachdem wir uns als Kinder so oft gezankt haben, aber es stimmt. Wer wäscht mir denn jetzt den Kopf, wenn ich irgendeine Dummheit mache?«
Mahelts mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung drohte sie im Stich zu lassen.
»Sag jetzt in Gottes Namen nichts mehr, Richard! Sonst fange ich an zu weinen, und ich will nicht, dass mich meine neue Familie oder unsere Eltern in Tränen aufgelöst sehen. Heute ist ein Freudentag!«
»Sicher.« Die Begeisterung in seiner Stimme glich dem Läuten einer Totenglocke.
»Dann stell dich nicht so töricht an.« Sie umarmte ihn flüchtig, und er erwiderte die Umarmung mit der Kraft eines jungen Bären. »Ich werde dich auch vermissen.« Ihre Rippen brachen fast unter dem Druck seiner Arme. Ich werde nicht weinen, schwor sie sich. Ich werde nie weinen.
Ein neuer Tanz begann. Richard führte sie am Anfang und reichte sie dann an ihren Vater weiter. Mahelt rang sich ein
Lächeln ab, obwohl ihr Herz bleischwer war und sie sich am liebsten an die Sicherheit ihrer Kindheit geklammert hätte.
»Mein Liebes.« Ihr Vater berührte ihr Gesicht. »Ich bin stolz auf dich.«
Sie lächelte zu ihm empor, als wäre dies der glücklichste Moment ihres Lebens, und hoffte, dass er ihre Tränen nicht spürte. Er erwiderte ihr Lächeln. Sie las Wärme in seinen Augen, aber auch Traurigkeit. Auch er trug eine Maske, die Maske eines Höflings. Sie würde seinem Beispiel folgen, und niemand würde von ihrer Furcht und ihrem Kummer erfahren.
Ihr Vater schob sie sacht auf Hugh zu. »Pass gut auf sie auf«, sagte er mit einer Stimme, die tief aus seiner Brust kam.
»Ich beschütze sie mit meinem Leben«, versprach Hugh. Mahelt spürte, wie ihr neuer Mann seine Finger mit den ihren verflocht und eine Hand auf ihre Taille legte, um sie hochzuheben. Sie passte sich seinen Bewegungen an, und als er sie wieder auf die Füße stellte, befand sie sich an einem anderen Platz als zuvor – nicht mehr zwischen ihrem Bruder und ihrem Vater, sondern zwischen Hugh und seinem Vater. Sie hatte nicht nur ihre Tanzposition verändert, sondern auch ihre Familie getauscht.
11
Framlingham, Februar 1207
Mahelt blickte aus dem Fenster ihrer
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