Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Kammer, während sie eine Brosche am Hals ihres Kleides befestigte. Der Februarmorgen war hell und mild – ein Vorbote des Frühlings, der noch einen Monat entfernt war. Die ersten schmächtigen weißen Lämmer staksten neben ihren Müttern her, und die Tage wurden länger.
Sie gewöhnte sich langsam an ihr neues Leben, fand aber vieles noch schwierig und seltsam. Der Bigod-Haushalt unterschied sich sehr von dem der Marshals, und obwohl alle sehr freundlich zu ihr waren, vermisste sie es, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Augapfel ihres Vaters zu sein. Solange sie nicht Mann und Frau waren und immer unter Aufsicht standen, konnte sie weder Hughs Augapfel werden noch ihn als Partner und Gefährten kennenlernen. Vor zwei Tagen war er aufgebrochen, um sich um seine Geschäfte in Yorkshire zu kümmern, sodass Mahelt seine Gesellschaft im Moment entbehren musste. Vor seinem Vater war sie auf der Hut. Er bekundete ihr keinerlei Zuneigung, sondern seine Haltung war von Pflichterfüllung und Verantwortungsbewusstsein bestimmt. Er war fürsorglich und hatte einen starken Beschützerinstinkt, aber auch strikte Ansichten über die Positionen, die die Mitglieder seines Haushalts bekleideten. Seiner Meinung nach lief alles, wie es sollte, wenn jeder seinen Platz kannte, aber sowie jemand aus seiner Rolle ausbrach, versank alles im Chaos.
Mahelt strich ihr Kleid glatt, verließ ihre Kammer, überquerte den Hof und begab sich zu Countess Idas Gemach über der neuen Halle, das auf den Garten und den See hinausging. Ida saß an ihrem Webstuhl. Ihre Frauen waren mit Näharbeiten beschäftigt. Die Fensterläden standen offen, und durch das Morgenlicht schimmerten die Stoffe in leuchtenden Farben. Der Anblick erinnerte Mahelt an zu Hause. Diese Kammer könnte fast die ihrer Mutter in Pembroke oder Striguil sein. Tätigkeiten wie Nähen und Weben waren nicht nach ihrem Geschmack, obwohl sie über einiges Geschick verfügte, aber sie zog Arbeiten vor, die schnellere Ergebnisse versprachen. Immerhin erfuhr sie in der Nähkammer den neuesten Burgklatsch und lernte, mit wem sie sich gut stellen und wem sie aus dem Weg gehen musste.
Sie knickste vor Ida.
»Mutter.« Die Anrede klang noch immer fremd in ihren Ohren.
Ida küsste sie auf die Wange und nahm den Saum von Mahelts Seidenschleier zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Ein sehr schönes Stück«, bemerkte sie.
»Er gehörte meiner Großmutter, Prinzessin Aoife«, erwiderte Mahelt. »Sie trug ihn, als sie meinen Großvater Richard Strongbow heiratete.«
Ida nickte zustimmend.
»Es ist gut, solche Dinge innerhalb der Familie weiterzugeben.« Sie deutete auf ihre Webarbeit, die ein sich wiederholendes Muster des rot-gelben, mit Goldfäden durchzogenen Bigod-Schildes zeigte. »Ich fertige einen neuen Gürtel für den Earl an.«
»Er wird wirklich hübsch.« Mahelt bewunderte Idas Kunstfertigkeit, hoffte aber inständig, man würde von ihr nicht erwarten, sich mit ihr zu messen.
Ida strahlte vor Freude.
»Ja, nicht wahr?« Eine leichte Brise wehte durch das Fenster und blähte die Wandbehänge. Mahelt bekam einen sehnsüchtigen Gesichtsausdruck und sog die frische Luft ein wie ein Hund, der Witterung aufnimmt.
Ida folgte ihrem Blick.
»Komm«, sagte sie plötzlich entschlossen. »Ich möchte dir zeigen, was hinter unseren Mauern liegt. Zu dieser Jahreszeit ist schönes Wetter ein Geschenk, das man nutzen sollte. Außerdem möchte ich nicht, dass du dir hier wie eine Gefangene vorkommst.«
Mit dem Wort »Gefangene« hatte Ida eine Saite tief in ihrem Inneren berührt. Der Gedanke an Will, die Geisel des Königs, ihre Eltern im fernen Irland und Hugh in Yorkshire verlieh ihr das bedrückende Gefühl von Isolation. Mauern waren zum Schutz da, konnten einen Menschen aber auch erdrücken.
»Das würde mir großen Spaß machen, Mutter«, erwiderte sie.
»Gutes Kind.« Ida umarmte sie. Nachdem sie ihre Zofen angewiesen hatte, mit ihrer Arbeit fortzufahren, schickte sie einen Boten in den Stall, damit die Pferde gesattelt wurden. Einem kleinen Jungen trug sie auf, dem Earl mitzuteilen, dass sie mit Mahelt ausritt und ihr den Grundbesitz zeigte, und kurz darauf trabten die beiden Frauen unter dem Fallgitter hinweg und bogen in den Pfad am See ein. Sie hatten sich in warme Umhänge gehüllt und ritten wie zur Jagd im Herrensitz. Den Damensattel benutzte man für formelle Anlässe.
»So etwas habe ich schon lange nicht mehr spontan gemacht«, bemerkte Ida wehmütig. »Schon
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