Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Earl musterte ihn aus schmalen Augen.
»Das war, bevor deine Frau sich mitten in der Nacht davongeschlichen hat, um mit ihrem Bruder verräterische Pläne zu schmieden. Deine Frau, Hugh, nicht meine. Du trägst die Verantwortung für sie, und ganz offensichtlich machst du ihr nicht deutlich genug klar, wo ihre liegt!«
»Das ist nicht wahr …«
»Was denkst du dir dabei, ihr so viel Freiheit zu lassen?« Sein Vater richtete sich auf. »Sie ist ein Wildfang und eine Schande für den Namen Bigod!«
Hughs Kehle schnürte sich zu. Sein Vater verlor selten die Beherrschung, aber wenn dies geschah, glich sein Zorn einer Feuersbrunst. Seine Tirade gegen Mahelt stürzte Hugh in einen Zwiespalt. Er liebte seine junge Frau um ihrer Energie, ihrer unverblümten Art und ihres Humors wegen, aber er konnte auch seinen Vater verstehen.
»Sie ist immer noch sehr jung, Vater«, gab er zu bedenken. »Wahrscheinlich war ihr gar nicht bewusst, was sie mit ihrem unüberlegten Tun anrichtet.«
»Der Art nach zu urteilen, wie du sie behandelst, wird sie sehr schnell zur Frau«, fauchte sein Vater. »Du sagst etwas über sie und tust etwas ganz anderes. Das Mädchen hat ihren
rechtmäßigen Platz einzunehmen, und das ist nicht der, den sie sich dank deiner blinden Nachgiebigkeit selbst schafft. Sie muss so geformt werden, dass sie in diesen Haushalt passt, und deine Aufgabe ist es, als ihr Mann dafür zu sorgen.« Er stach mit dem Zeigefinger in die Luft, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Sie darf sich keinerlei Eigenmächtigkeiten mehr erlauben.«
»Dem stimme ich zu«, meinte Hugh, aber sein Vater hatte sich in Rage geredet und war entschlossen zu sagen, was er zu sagen hatte.
»Und vergiss nicht, dass dies unser Haus ist, nicht das der Marshals. Ich werde mich dieser Familie nicht unterordnen und mir auch nicht vorschreiben lassen, was wir zu tun haben. Das Mädchen ist nur eine Schachfigur in ihrem Spiel!«
»Ich glaube nicht….«
»Und wenn sie sie so gering achten, dass sie sie in eine solche Gefahr bringen, dann werden sie auch ihren Mann gering achten – und uns alle. Denk an meine Worte!« Er hielt inne und blieb mit sich hastig hebender und senkender Brust und Schweißperlen auf der Stirn vor seinem Sohn stehen. Der Raum schien zu klein zu sein, um seinen Zorn zu fassen. Hugh hatte seinen Vater nicht mehr so erzürnt gesehen, seit er als Junge einen großen Stein in das Mahlwerk einer Mühle geworfen und es völlig zerstört hatte.
Er schenkte ihnen beiden Wein ein und setzte sich ans Fenster, um nachzudenken und seinem Vater Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen. Er glaubte nicht, dass dieser mit seiner Meinung bezüglich der Einstellung der Marshals gegenüber ihrer Tochter richtig lag – ihr Bruder hatte sie in diese Sache verstrickt –, aber er stimmte in den wichtigsten Punkten mit ihm überein. Doch er musste auch an Mahelt denken, und er wusste nicht, wie er sie auf den ihr gebührenden Platz verweisen
sollte. Sie war wie eine Wolke: sich ständig verändernd, nicht zu greifen, oft erstaunlich schön, aber durchaus fähig, Verwüstung anzurichten.
Wenn er zu körperlichen Züchtigungen griff, würde sie sich gegen ihn wenden und nur noch eigensinniger werden, das spürte er. Er war in einer Familie aufgewachsen, in der Strafen fast nie mit den Fäusten oder der Peitsche vollzogen worden waren. Er konnte sich daran erinnern, dass er als Junge nur einmal eine Tracht Prügel bekommen hatte – weil er seinen kleinen Bruder in Gefahr gebracht hatte, indem er ihn als Turnierzielscheibe benutzte. Sein Vater hatte ihn vor den Augen der versammelten Familie und der Dienerschaft verprügelt. Aber das konnte er Mahelt nicht antun, und eine strenge Strafpredigt würde von ihr abperlen wie Wasser vom Gefieder einer Ente. Es lief darauf hinaus, dass er ihre lebenssprühende Energie in positive Bahnen umlenkte.
Er vermutete, dass der einzige Weg darin bestand, an Mahelts Loyalität und Liebe zu appellieren. Diese Eigenschaften waren seit ihrer Geburt in ihr verankert worden, galten aber nur ihrer eigenen Familie. Es galt, nun ihren Blickwinkel zu erweitern. Er wollte sie auf keinen Fall verlieren. Sie brachte Licht und Farbe in sein Leben, und er verspürte ihr gegenüber einen starken Beschützerinstinkt.
Sein Vater stand immer noch am selben Fleck. Seine Schultern bebten zwar nicht mehr, und seine Gesichtsfarbe war wieder normal, doch seine Miene besagte deutlich, dass er entschlossen war,
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