Die Entdeckung der Erde
Hindus erschien, ihnen jedoch im besten Italienisch mittheilte, daß er aus Venedig gebürtig, aber schon in zarter Jugend nach diesem Lande entführt worden sei und der christlichen Lehre anhänge, ohne Gelegenheit zu haben, seine Religion zu üben. Im Besitze einer einflußreichen Stellung bei dem Könige dieses Gebietes sei er zu ihnen geschickt worden, um ihnen Alles zur Verfügung zu stellen, was das Land nur für sie Passendes böte. Ein gegenüber dem gewohnten Empfange so überaus freundliches Anerbieten erregte den Verdacht der Portugiesen. Sie kamen bald auf den Gedanken, daß dieser Abenteurer der Anführer der Barken sein möge, die sie am vorhergegangenen Tage angegriffen hatten. Der Bursche erhielt als Antwort die Peitsche, bis er das Geständniß ablegte, nur gekommen zu sein, um auszukundschaften, wie die Flotte wirksamer angegriffen werden könne, und gleichzeitig verrieth, daß die gesammte Bevölkerung der Küste sich verbunden habe, die Portugiesen abzufangen. Man behielt ihn demnach an Bord zurück; die nöthigen Arbeiten wurden möglichst beschleunigt und nach Einnahme einer hinreichenden Menge von Wasser und anderen Provisionen segelte man nach Europa ab.
Bis zur Küste von Afrika brauchte die Expedition in Folge von Windstillen und Gegenwinden drei Monate weniger drei Tage. Während dieser langen Ueberfahrt erkrankten viele Leute von der Mannschaft am Scorbut und starben sogar dreißig Matrosen. Auf jedem Fahrzeuge blieben nur noch sieben bis acht Mann zur Dienstleistung übrig und oft waren die Officiere selbst genöthigt, mit Hand anzulegen. »Weshalb ich versichern kann, sagt Velho, daß, wenn die Zeit, in der wir durch jene Meere fuhren, sich noch um vierzehn Tage verlängert hätte, Niemand von hier nach uns dort gesegelt wäre… und als die Kapitäne wegen dieser mißlichen Umstände eine Berathung abhielten, wurde beschlossen, für den Fall weiterer ungünstiger Winde nach Indien zurückzukehren und dort Zuflucht zu suchen.«
Am 2. Februar 1499 endlich befanden sich die Portugiesen in der Nähe einer großen Stadt an der Küste von Ajan mit Namen Magodoxo, etwa hundert Meilen von Melinde.
Gama befürchtete eine Wiederholung des Empfanges, wie er ihn von Mozambique her kannte, und wollte deshalb nicht beilegen, sondern feuerte nur im Vorübersegeln eine volle Breitseite bei der Stadt ab. Wenige Tage später bekam man die reichen und gesunden Gefilde von Melinde in Sicht, wo man vor Anker ging. Der König beeilte sich, frische Lebensmittel und Orangen für die Kranken zu senden. Der Empfang war mit einem Worte ein wahrhaft herzlicher und die bei dem ersten Besuche Gama’s geknüpften Bande der Freundschaft schlossen sich jetzt nur noch mehr. Der Scheikh von Melinde sandte für den König von Portugal einen schönen Elephantenzahn und viele andere Geschenke mit; gleichzeitig bat er Gama, einen jungen Mauren an Bord aufzunehmen, damit der König durch ihn erfahre, wie sehr er seine Freundschaft wünsche.
Die fünf Ruhetage, welche die Portugiesen in Melinde zubrachten, gewährten ihnen eine namhafte Erleichterung, so daß sie mit frischem Muth wieder in See stachen. Kaum bei Monbaça vorüber, sahen sie sich gezwungen, den Sam Raphael zu verbrennen, denn die Mannschaften waren zu sehr gelichtet, um drei Fahrzeuge zu bedienen. Sie trafen nun auf die Insel Zansibar, ankerten in der Bai von Sam Braz, umschifften, Dank einem günstigen Winde, am 20. Februar das Cap der Guten Hoffnung und befanden sich nun wieder im Atlantischen Ocean.
Eine anhaltende Brise schien die Rückkehr der Reisenden zu beschleunigen. In siebenundzwanzig Tagen hatten sie die Höhe der Insel von Santiago erreicht. Nicolaus Coelho, der den »Berrio« führte, trennte sich, da er darnach geizte, dem König Emanuel zuerst die Nachricht von der Entdeckung Indiens zu überbringen, am 25. April von dem Geschwader und segelte, ohne, wie verabredet war, die Insel des Grünen Vorgebirges anzulaufen, direct nach Portugal, wo er am 10. Juli anlangte.
Unterdessen durchlebte der arme Gama eine rechte Trauer-und Schmerzenszeit. Sein Bruder Paul da Gama, der alle Mühen und Gefahren mit ihm ausgestanden und mit ihm den erworbenen Ruhm so gern getheilt hätte, ging langsam seinem Ende entgegen. In Santiago, auf bekanntem und vielfach befahrenem Meere angekommen, überließ Vasco da Gama das Commando seines Schiffes an Joao de Saa und miethete eine schnellsegelnde Caravelle, um seinem geliebten Kranken die Gestade der Heimat desto
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