Die Entdeckung der Erde
Ereignisse der beiden Berichte verglichen und klargelegt hat. Varnhagen nämlich behauptet, daß der am 10. Mai 1497 abgereiste Vespucci am darauf folgenden 10. Juni in den Golf von Honduras eingedrungen, dann dem Gestade von Yucatan und Mexico gefolgt und den Mississippi hinaufgesegelt sei, und später, gegen Ende Februar 1498, die Spitze von Florida umschifft habe. Nach siebenunddreißigtägigem Aufenthalt an der Mündung des St. Lorenzo soll er dann im October 1498 nach Cadix zurückgekehrt sein.
Hätte Vespucci wirklich diese außerordentliche Fahrt ausgeführt, so ließe er damit freilich alle zeitgenössischen Seefahrer weit hinter sich zurück, und mit vollem Rechte verdiente der Continent den Namen Dessen, der eine so ausgedehnte Strecke seiner Küste erforscht hatte. Hierfür finden sich freilich nicht die mindesten Beweise, während Humboldt’s Ansicht, nach dem Urtheile der glaubwürdigsten Schriftsteller, die größte Summe von Wahrscheinlichkeiten für sich hat.
Amerigo Vespucci unternahm drei andere Reisen. A. von Humboldt identificirt die erste derselben mit der B. Yanez Pinzon’s, und Avezae mit der Diego de Lepe’s (1499– 1500). Gegen Ende des letzteren Jahres verhandelte Giuliani Bartholomeo di Giocondo im Auftrage des Königs Emanuel mit Vespucci und beredete diesen zum Uebertritt in portugiesische Dienste. Auf Kosten dieser Macht betheiligte sich Vespucci noch bei zwei Entdeckungsreisen. Bei der ersten nimmt er nicht wie früher die Stellung eines Führers der Expedition ein, sondern spielt an Bord nur die Rolle eines Mannes, auf dessen nautische Kenntnisse man sich unter gegebenen Verhältnissen zu stützen sucht. Die bei dieser dritten seiner Reisen untersuchte Strecke der amerikanischen Küste ist zwischen dem Cap St. Augustin und dem 52. Grad südlicher Breite zu suchen.
Bei Vespucci’s vierter Expedition litt das Admiralschiff nahe der Insel Fernando de Noronha Schiffbruch, ein Umstand, der die anderen Fahrzeuge verhinderte, ihren Weg fortzusetzen und jenseits des Caps der Guten Hoffnung weiterzusegeln, sie dagegen veranlaßte, in der Bai Allerheiligen in Brasilien zu landen. Diese vierte Reise befehligte ohne Zweifel Gonzalo Coelho; dagegen ist gänzlich unbekannt geblieben, wer der Führer der dritten gewesen ist.
Diese verschiedenen Expeditionen hatten Vespucci keine Schätze eingetragen, die Verhältnisse des portugiesischen Hofes waren auch selbst so wenig glänzender Natur, daß er sich entschloß, wieder in spanische Dienste zu gehen. Bald erfolgte hier, am 22. März 1568, seine Ernennung zum »Piloto mayor«. Bei der Einträglichkeit dieser Stellung beschloß er denn seine Tage, wenn auch nicht reich, doch frei von Sorgen, und starb in Sevilla am 22. Februar 1512, ebenso wie Columbus in dem Wahne, die Küsten Asiens weiter erforscht zu haben.
Amerigo Vespucci ist vorzüglich berühmt geworden, weil die Neue Welt, statt gerechter Weise Columbia zu heißen, später seinen Namen erhalten hat, wofür ihn selbst eine Verantwortlichkeit allerdings nicht trifft. Lange Zeit und gewiß mit Unrecht hat man ihn der frechsten Dreistigkeit, des Betrugs und der Lügenhaftigkeit durch die Nachrede beschuldigt, er habe den Ruhm Columbus’ verdunkeln wollen und für sich die ihm nicht gebührende Ehre einer so großartigen Entdeckung erstrebt, was doch keineswegs der Fall war. Vespucci war von Columbus and seinen Zeitgenossen geliebt und geachtet, und alle seine Aufzeichnungen liefern für jene Verdächtigungen keinen Stützpunkt. Man kennt sieben später gedruckte Documente, die von Vespucci selbst herrühren sollen. Es sind das die kurzgefaßten Berichte über seine vier Reisen, zwei andere Berichte über die dritte und vierte Fahrt in Form zweier Briefe an Lorenzo de Pier Francesco de Medici, endlich ein an denselben gerichtetes Schreiben, das sich über die Entdeckungen der Portugiesen in Indien verbreitet. Diese als Plaquettes oder Büchlein in kleinem Formate gedruckten Documente wurden schnell in verschiedene Sprachen übersetzt und fanden in Europa die weiteste Verbreitung.
Schon 1507 macht ein gewisser Hylacolymus, dessen wirklicher Name Martin Waldseemüller lautet, in einem zu St. Dié in Lothringen gedruckten Buche mit dem Titel »
Cosmographiae introductio«
den Vorschlag, den neuen Erdtheil »Amerika« zu nennen. Im Jahre 1509 erscheint darauf in Straßburg ein kleiner Abriß der Geographie, der Hylocolamus’ Empfehlung befolgt, und 1520 wird in Basel eine Ausgabe des
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