Die Entdeckung der Erde
unter Wasser stehende Puzzoles nach Neapel, wo er indeß gar nichts sah, außer den fünfhundert Juden, welche in dieser Stadt wohnten. Endlich reiste er über Salerno, Amalfi, Benevento, Ascoli, Trani, St. Nicolas de Bari, Tarento und Brindisi nach Otrante am gleichnamigen Meerbusen und hatte also ganz Italien durchzogen, ohne eine einzige interessante Beobachtung aus diesem so merkwürdigen Lande mittheilen zu können.
Erscheint auch die namentliche Aufzählung der Städte, welche Benjamin von Tudela nicht besuchte, aber doch berührte, sehr undankbar, so dürfen wir dieselbe doch nicht unterlassen, denn der Bericht des jüdischen Reisenden zeichnet sich sonst durch eine so verläßliche Genauigkeit aus, daß es vortheilhaft erscheint, ihm auf der von Lelewel eigens für jenen entworfenen Karte nachzugehen. Von Otrante nach Zeitun in der Walachei sind seine Etappen: Korfu, der Golf von Arta, Achelous, eine alte Stadt Aetoliens, Anatolica in Griechenland, am Golfe von Patras, ferner Patras selbst, Lepante, Crissa, am Fuße des Parnassus, Korinth, Theben, dessen 2000 israelitische Einwohner die geschicktesten Arbeiter Griechenlands in der Bereitung der Seide und des Purpurs sind; endlich Negroponte und Zeitun.
Hier beginnt nach Angabe des spanischen Reisenden die Walachei. Die Walachen selbst springen wie die Rehe und steigen von den Gebirgen hernieder, um im griechischen Lande zu plündern und zu stehlen. – Von hier aus begab sich Benjamin von Tudela über Gardicki, einem kleinen Flecken an der Bai von Volo, Armyros, einem von den Venetianern, Genuesen und Pisanern häufig besuchten Hafen, ferner über Bissina, jetzt eine Stadt in Ruinen, Salonicki, das alte Thessalonich, Dimitritzi, Darma, Christopoli und Abydos nach Konstantinopel.
Der Reisende liefert nun eine Beschreibung dieser großen Hauptstadt aller griechischen Lande. Es regierte damals der Kaiser Emanuel Comnenus, der einen von ihm selbst erbauten Palast am Ufer des Meeres bewohnte. Dort streben Säulen empor aus reinem Silber und Golde, und dort steht »jener Thron aus Gold und edlen Gesteinen, über dem eine goldene Krone an einer Kette so hängt, daß sie dem Kaiser, wenn er Platz nimmt, gerade auf dem Kopfe sitzt. Auch diese Krone ist mit den kostbarsten Edelsteinen geschmückt, deren Werth Niemand abzuschätzen im Stande ist, und in der Nacht braucht man in diesem Raume keine Beleuchtung, denn man kann bei der Strahlenpracht jener Steine hinreichend sehen«.
Der Reisende fügt hinzu, daß die Stadt stark bevölkert ist, daß die Kaufleute hier von allen Orten her zusammenströmen und daß sie in dieser Hinsicht nur etwa mit Bagdad zu vergleichen ist. Ihre Bewohner tragen seidene, mit Stickereien bedeckte und mit Goldfransen verzierte Kleidung; wenn man sie so auf ihren schönen Pferden sieht, möchte man sie für lauter Königskinder halten; dabei sind sie aber verweichlicht und zum Kriege zu muthlos, auch halten sie sich deshalb aus allen Nationen zusammengewürfelte Söldnerschaaren, welche für sie kämpfen. Benjamin von Tudela bedauert, daß es in der Stadt keine Juden giebt und daß man diese nach jenseits des Thurmes von Galata, nahe dem Eingange des Hafens, verwiesen hat. Dort leben etwa 2500 Anhänger beider Secten, der Rabbiniten und der Caraïten, unter ihnen viele Seidenarbeiter, doch auch reiche Kaufleute, Alle aber gleichmäßig gehaßt von den Griechen, welche ihnen stets sehr hart begegnen. Keinem jener vermögenden Juden steht das Recht zu, zu reiten, mit Ausnahme eines Einzigen, des Egypters Salomon, in seiner Eigenschaft als Leibarzt des Königs. Von den Denkmälern Konstantinopels erwähnt Benjamin die Kirche der heiligen Sophia, welche gleich viel Altäre besitzt, wie das Jahr Tage hat, Säulen, goldene und silberne Leuchter aber so viel, daß man diese gar nicht zu zählen vermag; ferner den Hippodrom, der jetzt zum Pferdemarkt verwandelt ist und in dem man »Löwen, Bären, Tiger, wilde Gänse und andere Vögel u.s.w. zur Belustigung des Volkes miteinander kämpfen läßt«. Von Konstantinopel aus besuchte Benjamin von Tudela das alte Byzanz, Gallipoli und Kilia, einen Hafen der östlichen Küste; dann schiffte er sich nach den Inseln des Archipels ein, bei welcher Tour Mitylene, Chio, bekannt wegen seines ausgebreiteten Handels mit Pistazienzucker, Samos, Rhodus und Cypern berührt wurden. Nach dem Lande Arämäa segelnd, kam er über Messis und Antiochia, wo er über die Verehrung des Wassers nicht wenig erstaunte, und
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