Die Entdeckung der Erde
herbeizieht. Nachdem er vierzehn Tage lang durch ungeheure Wälder mit vielen Elephanten, Nashörnern und anderen wilden Thieren geritten, kam er nach der großen Stadt Mien, d. h. nach dem Theile Ober-Birmas, dessen jetzige, in späterer Zeit erbaute Hauptstadt Amrapura heißt.
Eine schöne Marmorbrücke von vierundzwanzig Bogen. (S. 84.)
Diese Stadt Mien, vielleicht das alte, jetzt in Ruinen liegende Ava oder das alte Paghan am Irranadi, besaß ein wahres Wunderwerk der Baukunst in Gestalt zweier Thürme, die von den schönsten Steinen errichtet und der eine mit fingerdicken Goldplatten, der andere mit ebenso starken Silberplatten bedeckt waren; beide dienten übrigens als Grabstätten der Könige von Mien, bevor das Königreich der Gewalt des Khans verfallen war.
Marco Polo in den Wäldern. (S. 86.)
Nach einem Besuche dieser Provinz ging Marco Polo herab bis Bengala, d. i. das jetzige Bengalen, welches jener Zeit, im Jahre 1290, Kublaï-Khan noch nicht angehörte. Die Heere des Kaisers bereiteten sich eben, dieses fruchtbare Land, dessen Reichthum an Baumwolle, Ingwer und Zuckerrohr bekannt war und dessen prächtige Rinder an Größe fast den Elephanten gleich kamen, für ihren Herrn zu erobern. Ferner wagte sich der Reisende noch hinab bis zur Stadt Cancigu, in der gleichnamigen Provinz, wahrscheinlich das heutige Kassay. Die Bewohner dieses Landstriches tätowirten ihren Körper und zeichneten mit Hilfe seiner Nadeln auf Gesicht und Hals, auf Leib, Hände und Beine die Bilder von Löwen, Drachen, Vögeln u. dgl. und hielten Denjenigen für den schönsten Menschen, der die meisten derartigen Malereien an seinem Körper trug.
Cancigu bezeichnet den südlichsten Punkt, den Marco Polo auf dieser Reise erreichte. Von hier aus kehrte er wieder nach Nordosten zurück und kam durch das Land Amu, entsprechend dem heutigen Anam und Ton-kin, wozu er vierzehn Tage brauchte, nach der Provinz Toloman, d. i. heute das Gouvernement Taï-ping. Daselbst traf er sehr schöne Menschen mit ziemlich dunkler Hautfarbe an, kräftige Kriegsleute, welche ihre Berge mit festen Schlössern gekrönt hatten, und deren gewöhnliche Nahrung aus Thierfleisch, Milch, Reis und Gewürzen bestand.
Von Toloman aus hielt sich Marco Polo zwölf Tage über längs eines mit zahlreichen Städten besetzten Flusses. Charton bemerkt hierbei ganz richtig, daß sich der Reisende nun von dem, unter dem Namen Indien jenseits des Ganges bekannten Lande entfernt und nach China hin zurückkehrt. Wirklich besuchte er auch von Toloman ans Guigui oder Cintingui und die gleichnamige Hauptstadt des Landes. Was Marco Polo in diesen Gegenden am meisten auffällt – er scheint nämlich ein eifriger Jäger gewesen zu sein – ist die große Anzahl von Löwen, welche die Ebenen und Berge unsicher machen. Doch herrscht zwischen den Sachverständigen volle Uebereinstimmung darin, daß Marco Polo’s Löwen nur – Tiger gewesen sind, denn Löwen kommen in China nicht vor. Sein Bericht lautet hierüber übrigens wie folgt: »In diesem Lande giebt es so viele Löwen, daß man nicht außerhalb des Hauses schlafen kann, ohne Gefahr zu laufen, aufgefressen zu werden. Selbst wenn man auf einem Strome fährt und in der Nacht irgendwo still liegt, muß man dafür sorgen, weit vom Ufer entfernt zu schlafen, denn sonst kommen die Löwen bis zum Schiffe heran, rauben sich einen Menschen und verzehren denselben. Die hiermit schon vertrauten Einwohner hüten sich deshalb sehr wohl. Jene Löwen sind sehr groß und äußerst gefährlich; höchst merkwürdig aber erscheint in dieser Gegend auch das Vorkommen von Hunden, welche den Muth haben, sogar Löwen anzugreifen, doch müssen ihrer immer Zwei sein, denn ein Mann und zwei Hunde werden auch mit einem großen Löwen fertig.«
Von dieser Provinz aus ging Marco Polo geraden Weges nach Sindifu, der Hauptstadt der Provinz Szu-thouan, zurück, von wo aus er zu seiner Mission nach Thibet aufgebrochen war, schlug nun den schon früher benutzten Weg ein und kehrte zu Kublaï-Khan zurück nach glücklicher Durchführung seiner Sendung nach Indo-China. Wahrscheinlich wurde Marco Polo vom Kaiser auch noch mit einer anderen Mission nach dem südöstlichen China betraut, d. i. wie Pauthier in seiner schönen Arbeit über den venetianischen Reisenden sagt, »die reichste und handelsthätigste Provinz des ungeheuren Reiches, von welcher man auch seit dem 16. Jahrhundert in Europa die meiste und eingehendste Kenntniß
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