Die Entdeckung der Erde
Kolonie irgend nöthig schien, füllte den Raum der Fahrzeuge. Von zehn nach Europa mitgenommenen Eingebornen kehrten fünf nach ihrer Heimat zurück, drei blieben als Kranke in Europa und zwei derselben waren gestorben.
Christoph Columbus wurde mit unbegrenzter Machtvollkommenheit zum »General-Kapitän« ernannt.
Am 25. September 1493 liefen die siebzehn Fahrzeuge unter den Jubelrufen einer unzählbaren Menschenmenge mit vollen Segeln von Cadix aus Am 1. October liefen sie die Insel Ferro, die westlichste der Canarien-Gruppe, an. Nach einer von Wind und Meer gleichmäßig begünstigten Ueberfahrt kam Columbus in Sicht des neu entdeckten Landes.
Am 3. November, dem Sonntag in der Octave Allerheiligen, rief der Wachtposten des Admiralschiffes »Marie-Galante«: »Frohe Botschaft! Dort ist das Land!«
Dieses Land bestand aus einer bewaldeten Insel. Der Admiral segelte, da er sie für unbewohnt hielt, daran vorüber, sah auf seinem Wege noch mehrere verstreute Eilande und langte bei einer zweiten Insel an. Die erste wurde Dominica, die andere auf den Namen Marie-Galante getauft, wie sie auch noch heutigen Tages heißen. Am nächsten Tage zeigte sich den Blicken der Spanier eine dritte, größere Insel. »Und, sagt der von Pierre Martyr, einem Zeitgenossen Columbus’, herrührende Bericht über diese Fahrt, als sie näher kamen, erkannten sie, daß das die Insel der verwünschten Kannibalen oder Caraïben war, von denen man gelegentlich der ersten Reise wiederholt reden gehört hatte.«
Wohl bewaffnet gingen die Spanier an’s Ufer, wo sich gegen dreißig hölzerne, mit Palmenblättern bedeckte Hütten von runder Form erhoben, in denen allen man Hängematten aus groben Baumwollenstoffen fand. Auf dem Vorplatz derselben standen zwei Bäume oder Stämme, welche von zwei großen todten Schlangen umwunden waren. Bei der Annäherung der Fremden flohen die Eingebornen, so schnell sie konnten, und ließen eine Anzahl Gefangener zurück, die sie eben hatten aufzehren wollen. Die Matrosen durchsuchten jene Hütten, wobei sie menschliche Arme und Beine, frisch abgeschnittene, noch blutende Köpfe und andere menschliche Ueberreste fanden, welche jeden Zweifel über die Nahrungsweise dieser Caraïben beseitigten.
Die Insel wurde zum Theil untersucht und erhielt von dem Admiral den Namen Guadeloupe wegen ihrer Aehnlichkeit mit einer Provinz von Estremadura. Einige von den Matrosen eingefangene Frauen schickte man, nachdem sie auf dem Admiralschiff eine möglichst freundliche Aufnahme erfahren hatten, auf das Land zurück. Christoph Columbus rechnete darauf, daß sein zuvorkommendes Verfahren gegen die Indianerinnen auch die Männer bestimmen sollte, einmal an Bord zu kommen, eine Hoffnung, welche freilich nicht in Erfüllung ging.
Am 8. November gab der Admiral das Signal zur Abfahrt und segelte mit seiner ganzen Escadre nach Espagnola, dem heutigen San Domingo, wo er neununddreißig Theilnehmer der ersten Reise zurückgelassen hatte. Auf dem Wege nach Norden entdeckte er wiederum eine große Insel, der die an Bord behaltenen Eingebornen den Namen Madanino gaben. Sie sagten aus, daß dieselbe nur von Frauen bewohnt sei, und da Marco Polo’s Bericht einer Gegend in Asien erwähnte, die nur weibliche Bevölkerung haben sollte, so hatte Christoph Columbus allen Grund zu der Annahme, daß er längs der Küsten dieses Welttheils hinsegle. Der Admiral wünschte lebhaft, die betreffende Insel kennen zu lernen, doch verhinderte der widrige Wind eine Landung an derselben.
Zehn Meilen von hier entdeckte man eine weitere, von hohen Bergen umgebene Insel, welche Montserrat getauft wurde; am nächsten Tage eine zweite, die den Namen Sainte Marie Rotonde erhielt, und am folgenden Tage noch zwei Inseln: St. Martin und St. Croix.
Das Geschwader ankerte vor der letzteren, um Wasser einzunehmen. Hier ereignete sich eine sehr ernste Scene, welche Pierre Martyr mit so bezeichnenden Worten erzählt, daß wir uns zu deren Wiedergabe veranlaßt fühlen: »Der Admiral, sagt er, ordnete an, daß dreißig seiner Leute das Schiff verlassen sollten, um die Insel in Augenschein zu nehmen; als diese das Ufer betreten hatten, fanden sie daselbst außer vier Hunden auch ebensoviel junge Männer und Weiber am Strande, die ihnen entgegenkamen und mit erhobenen Armen um Schutz und Befreiung aus der Gewalt der grausamen Einwohner zu flehen schienen. Sobald die Kannibalen das sahen, entflohen sie, ganz wie auf Guadeloupe, eiligst in die Wälder. Unsere
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