Die Entdeckung der Langsamkeit
Liebe war â nun, dann war es Einverständnis!
»Erwarte nichts von Montagu!« warnte Jane. »Er ist Arthurs Mann. Er
will dich abhängig machen und lähmen.«
»Ich weië, antwortete John.
»Er denkt: Gouverneure kommen und gehen, Montagu bleibt.«
»Mag sein«, antwortete John, »aber noch brauche ich einen schnellen
Ersten Offizier, der Bescheid weià und mit in der Regierung sitzt. Ohne ihn
habe ich für gründlichere Arbeit den Rücken nicht frei. Hepburn kann es nicht,
Maconochie hat zu wenig Einsicht und, so töricht es ist, eine Frau darf es
nicht sein.«
Das wuÃte Jane. »Regierungsgeschäfte kann ich dir nicht abnehmen.
Aber ich kann dich warnen, und jetzt warne ich dich vor Montagu.«
»Gut«, sagte John, »und ich dich vor Maconochie. Er ist ein
Idealist. Wir dürfen uns nicht mit Schwärmerei um Politik betrügen.«
Jane sah ihn aufmerksam an. »Und nicht umgekehrt!«
Nachts legte sie den Kopf bei ihm in die Mulde zwischen Schulter und
Hals. So konnte sie sogar einschlafen, während er wach lag und aufpaÃte, daÃ
ihr Haupt gut gebettet blieb. Hin und wieder las sie einen Abenteuerroman und
löschte das Licht erst, wenn John längst schnarchte. Eines Morgens sagte sie:
»Du hast nachts mit den Zähnen geknirscht, du hast Sorgen.« Das bestätigte er
ihr ohne weiteres.
Janes Unternehmungslust war bereits fast berüchtigt: in der zweiten
Woche nach der Ankunft war sie als erste Frau auf den Mount Wellington
gestiegen â 4165 Fuà Höhe, das war kein Spaziergang.
John Montagu lehnte es offensichtlich ab, für eine langsame
Exzellenz langsamer zu sprechen. Der Koloniesekretär erinnerte darin an die
Offiziere Walker und Pasley auf der Bedford. Er war
über alles unterrichtet, setzte andere schnell ins Bild, handelte umsichtig und
vergaà nichts: keinen Namen, keinen Termin und nicht die geringste Kränkung.
John behandelte ihn freundlich, aber nach reiflicher Ãberlegung nicht
freundlicher als andere.
Der Ehrgeiz hielt den Koloniesekretär in Spannung, er war wie eine
Katze vor dem Sprung. Das verbarg er hinter scheinbarer Gelassenheit und
Offenheit. Er war für jeden jederzeit ansprechbar und lachte jovial, mit
klirrender Uhrkette auf der gewölbten Weste, ohne daà der wäÃrige Blick sein
Gegenüber auch nur für Sekunden loslieÃ.
Als John den Legislativrat zu einer öffentlichen Veranstaltung
machte, war Montagu bereits »in Sorge«: eben erst hatte eine Versammlung von
336 Siedlern stattgefunden, die eine repräsentative Regierung forderten. Das
war ihm ein Alarmzeichen. Als John sich für Ãbergriffe im Strafvollzug zu
interessieren begann und einige Beamte absetzte, tat er das gegen Montagus Rat,
der auch weiterhin dagegen war, die Ureinwohner in ein besseres Gebiet
umzusiedeln. Als John es sich zur Gewohnheit machte, an Bord neu angekommener
Sträflingsschiffe zu gehen und den Gefangenen zu erklären, daà sie nicht nur
Pflichten, sondern auch Rechte hätten, fing Montagu an, die alten Verbündeten
Arthurs um sich zu sammeln. Noch versuchte er aber, Sir John zur Umkehr zu
bewegen, indem er ihm eindringlich seine beiden »ehernen Prinzipien einer Strafkolonie«
vortrug:
»Erstens: jede Abweichung von einem einmal als richtig erkannten
Prinzip ist Verrat.
Zweitens: jede Abweichung von der bisher ausgeübten Praxis ist
Schwäche und ermutigt die Frevler.«
John betrachtete sich diese Sätze gründlich von allen Seiten. Dann
gab er Montagu zu bedenken, daà eine Kombination beider Thesen jegliche
Veränderung ausschlieÃe. Für ihn sei aber auch derjenige ein Verräter, der ein
neues Prinzip als richtig entdeckt habe und dann zu feige sei, um danach zu
handeln.
Es zeigte sich, daà Montagu in dieser Antwort eine persönliche
Kränkung sah. Im Kreis der Arthur-Fraktion sagte er mit einem
genüÃlich-bitteren Lächeln: »Für Sir John bin ich neuerdings ein Feigling und
Verräter! Er ist eben ein Entdecker, nichts bleibt ihm verborgen!«
Auf dem Umweg über einen Diener hörte Maconochie davon und teilte es
dem Gouverneur mit. Der glaubte es nicht. Mit anderen Worten: er beschloà den
Hinweis zu ignorieren.
Ella war ganz Eleanors Tochter. Als Jane ihr verbot, ein
Stück Fleisch auf die Gabel zu spieÃen und damit auf Gäste zu zeigen, bat sie
nachdrücklich um eine
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