Die Entdeckung der Langsamkeit
der vor Anker liegenden Kutter und Walfänger begannen alle Taue zu
flirren und zu schlagen, es klang wie freudiger Beifall. Am Ufer standen
Siedler, Militärs, Beamte, hundert allein zu RoÃ, dahinter gut dreiÃig Kutschen
mit winkenden Damen. John traute seinen Ohren nicht: den ganzen Strand entlang
jauchzten sie, jawohl, jauchzten!
Plötzlich fiel ihm ein: Vielleicht darf ich nicht zu Fuà zum
Gouverneurshaus gehen, sondern muà reiten! Und was für eine Rede soll ich
halten, womöglich vom Pferd aus?
Die Sonne schien. Am Kai war eine kleine Bühne aufgebaut, und
daneben stand schon bereit, was John befürchtete: das Pferd. Ein kräftiger
Bursche hielt es am Zügel.
Montagu machte den Anfang. Er hieà willkommen, gab Hoffnungen
Ausdruck, freute sich im Namen aller, grüÃte nochmals, schloà bewegt. John sah
sich vorsichtig nach dem Pferd um. Es schnaubte, warf den Kopf und rià dem
Burschen fast den Zügel aus der Hand. Jetzt merkte John, daà er an der Reihe
war.
Er sprach den einen Satz, den er sich im Boot überlegt hatte: »Ich
möchte, daà jeder eine Chance hat!«
Das Pferd schielte, schnaubte abermals und schlug aus.
»Ich werde nicht gleich fest im Sattel sitzen«, kündigte John an.
»Ich werde mir hier erst alles sehr genau ansehen und zwar zu FuÃ!« Beifälliges
Gelächter, irgend jemand rief: »Hört, hört!« Sir John stand wie ein Denkmal und
wartete, bis es wieder ruhig war, dann befahl er kurz entschlossen dem
Burschen, das Pferd wegzuführen. »So habe ich mehr davon«, fügte er halblaut
hinzu. Dann setzte er sich in Bewegung, und die anderen schritten feierlich und
etwas erstaunt hinter ihm her.
John studierte die Berichte, die Akten, Geschäftsordnungen,
Grundbücher, Gerichtsurteile. Er begegnete immer neuen Fachausdrücken, etwa den
land-grants: das waren die Landzuweisungen, mit denen sich der Gouverneur bis
vor wenigen Jahren dankbare und gefügige Freunde überall hatte schaffen können,
wo er sie brauchte. Aus den land-grants war auf Umwegen auch Arthurs eigenes
Vermögen entstanden. Ferner fahndete John in den Besitzverzeichnissen
vergeblich nach Sherard Philip Lound. Weder hier noch in Neusüdwales gab es
einen Siedler dieses Namens.
Die Zeitungen waren eine etwas befremdliche Lektüre. Im »Van
Diemenâs Land Chronicle« stand über den neuen Gouverneur zu lesen: »Er ist
einer der härtesten Burschen der Welt, dazu ein untadeliger Gentleman. Wir
haben jetzt den Gouverneur, den wir uns gewünscht haben. Wenn sich Sir John
nicht zu sehr von Mr. Montagu beraten läÃt, werden uns Arthurs Gespenster nur
noch nachts im Traum erscheinen und nicht mehr, wie bisher, in Polizeiuniformen
und Richterroben am hellichten Tag!« John konnte sich darüber nicht recht
freuen. Hier liebte man wohl die Ãbertreibung. Er wandte sich wieder den Akten
zu.
Der dritte Tag im Amt. Die erste Sitzung des Legislativrates.
Würdige Herren, schwarze Gehröcke, feierliche Reden. In der Regierungskasse war
zu wenig Geld. Eine direkte Besteuerung der Siedler: laut Gesetz nicht möglich!
Was tun? Bevor das noch zu Ende überlegt war, schon eine neue Frage: »Kann ein
Gouverneur, wenn er nur Seekapitän ist, dem tasmanischen Landregiment Befehle
erteilen?« Ãbergangslos kam man auf mögliche MaÃnahmen gegen entflohene
Sträflinge zu sprechen, die Siedlerhäuser überfielen. Von da sprang die Debatte
hinüber zu den letzten siebzig Ureinwohnern, die unter Arthur auf die
Flinders-Insel nördlich von Van Diemenâs Land umgesiedelt worden waren und dort
offenbar nicht gediehen. Was hatte das aber mit Buschräubern, Regimentern oder
Steuern zu tun? Während John dies bedachte, war man schon bei der Haftpflicht
des Staates in Fällen von Postraub, wenig später kamen die Zuteilung von
Arbeitssträflingen an Landbesitzer und, ehe John sichâs versah, einige kleinere
Revisionen der Durchführungsbestimmungen zum Straf ⦠zum Straf â¦
Dieses Wort widerstand seiner Zunge noch immer. Warum konnte er die
viel schwierigeren »Durchführungsbestimmungen« fehlerfrei herausbringen, nicht
aber »Straf-vollzug«? John wischte sich den Schweià von der Stirn. All das hier
erinnerte an einen Hühnerhof. Sah er ein Problem genau an und schloà die Augen,
um darüber nachzudenken, so wurde es unterdessen flugs ein anderes.
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