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Die Entdeckung der Langsamkeit

Die Entdeckung der Langsamkeit

Titel: Die Entdeckung der Langsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sten Nadolny
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»Ihnen gönne ich sie natürlich.« »Ich fahre nicht«, sagte John, »James
Ross wird fahren.«
    Peter Mark Roget hatte eine Gesellschaft zur Verbreitung nützlichen
Wissens gegründet, leitete ihre Sitzungen und betrieb nebenher
Sprachforschungen. Den Bilderwälzer hatte er noch nicht ganz aus den Augen
verloren: »Bis auf die Herstellung der Bilder sind alle Probleme gelöst. Ein
gewisser Voigtländer auf dem Kontinent versucht es mit Daguerreotypien, aber
das taugt nichts. Für jedes einzelne Bild müssen die Darsteller in der
richtigen Bewegungsphase erstarren und belichtet werden. Und für eine einzige
Sekunde braucht man mindestens achtzehn Bilder. Das Verfahren ist zu
kompliziert und zu langsam.«
    Roget war aber vor allem deshalb zu den Franklins gekommen, weil er
darauf neugierig war, wie Jane jetzt aussah. Er selbst war zweifellos der
schönste und eleganteste alte Herr weit und breit.
    Schließlich traf John Kapitän Beaufort, den Hydrographen der
Admiralität. Der erklärte ihm seine Skala der Windstärken, die jetzt für alle
Logbücher der Marine vorgeschrieben war. Er brauchte lang dazu, weil ihnen zu
jeder Windstärke Geschichten einfielen. Zum Abschied sagte Beaufort: »Diese
Sache mit Stanley erzähle ich Baring, und der wird Peel darauf ansprechen. Das
wäre gelacht! Übrigens – wollen Sie denn wirklich nicht mehr in die Arktis?«
    John antwortete: »James Ross fährt.«
    Ja, er hatte Freunde, die etwas für ihn taten. Dabei konnte er sich
kaum erinnern, viel für sie getan zu haben. Eben das war Freundschaft.
    Im Januar 1845 erhielt John Franklin einen Brief des
Premierministers. Er möge auf eine kleine Unterhaltung vorbeikommen: Freitag um
elf, Downing Street Nr. 10.
    Jane meinte: »Also jedenfalls glaube ich nicht, daß er Geld in
Tasmanien anlegen will.«
    Â»In meiner ganzen Laufbahn«, sagte Sir Robert Peel, »habe
ich keinen getroffen, der so rührige Freunde hatte. Ihre Geschichte kenne ich
jetzt in fünf Versionen – alle für Sie schmeichelhafter als für Lord Stanley.«
Er lachte und wippte auf den Fußballen. »Ich wußte aber schon einiges über Sie,
und vielleicht Wichtigeres. Dr. Arnold in Rugby ist ein Bekannter von mir.«
John verneigte sich und hielt es für besser, zustimmend zu schweigen. Noch
wußte er nicht, was Sir Robert von ihm verlangen würde, wenn er zu Ende gewippt
hatte.
    Â»Um es gleich zu sagen: ich möchte Lord Stanleys Amtsführung nicht
kommentieren«, sagte Peel, »ich könnte es auch gar nicht, denn er fängt alle
Dinge anders an als ich. Von Geburt an.«
    Um seinem Gegenüber nicht zu lange in die Augen zu starren, senkte
John den Blick, aber nur bis zu der hellen Schleife, die den steifen Kragen
zusammenhielt. Dieser Kragen saß so eng, daß die Ecken dem Minister ständig in
die Wangen stachen. Das vermehrte den selbstquälerisch-korrekten Eindruck
ebenso wie die viel zu engen langen Hosen. Sie mochten eine schöne Gestalt noch
verschönern, aber Peels kurze Beine wurden durch sie noch kürzer. John begann
ihn irgendwie zu mögen. »Mir ist nun nahegelegt worden«, fuhr Peel fort, »Sie
der Königin für eine Erhebung« – er stellte sich auf die Fußballen – »zum
Baronet vorzuschlagen. Nur wäre das ein Affront gegen Lord Stanley und kommt
auch aus anderen Gründen nicht in Frage. Ich sehe eine bessere Möglichkeit.
Setzen wir uns!«
    Er ist mir nicht unähnlich, dachte John. Für ihn ist Ordnung keine
Selbstverständlichkeit. Er hat das Chaos im Kopf und muß sich schrecklich
anstrengen. Ein Bürgerlicher. Mühsam hat er sich seinen eigenen Rhythmus erkämpft.
Ich habe einen Bruder gesucht mein Leben lang – vielleicht ist er wenigstens
ein Vetter.
    Â»Ich habe Ihre Schrift zur Schulgründung gelesen«, sagte Peel. »Dr.
Arnold gab sie mir in Oxford. Langsamer Blick, starrer Blick, Panoramablick,
ausgezeichnet! Der Gedanke der Toleranz, aufgebaut auf der Verschiedenheit der
individuellen Geschwindigkeiten oder Geschwindigkeits-Phasen – sehr
einleuchtend. Über die Schule sind wir einig. Lernen und Sehen sind wichtiger
als Erziehung. Ich habe zur Zeit ständig mit sendungsbewußten Erziehern zu tun,
Anglikanern, Methodisten, Katholiken, Presbyterianern. Gemeinsam ist allen: Sehen
spielt keine Rolle, der gottgefällige

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