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Die Entdeckung der Langsamkeit

Die Entdeckung der Langsamkeit

Titel: Die Entdeckung der Langsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sten Nadolny
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– es sollte ihr Schaden nicht sein.
    Â»Ihr Schaden ist es in jedem Fall«, meinte Back leichthin,
»hoffentlich merken sie es nicht schon, solange wir auf sie angewiesen sind!«
    Die kürzesten Sätze von allen machte Hepburn, ein Schotte aus der
Edinburgher Gegend. Er sagte: »Wird schon!« Hepburn fuhr seit seiner Kindheit
zur See. Nach dem Schiffbruch seines Chinaseglers war er von einem Kriegsschiff
aufgefischt und zur Navy gepreßt worden. Er hatte viermal versucht zu desertieren.
Aber für diese Expedition hatte auch er sich freiwillig gemeldet. Warum, das
wußte nur er selbst.
    Auf der Reede von Stromness in den Orkneys fanden sie die
Brigg Harmonie vor, die der Herrnhuter Brüdergemeinde gehörte. Franklin, Back
und Richardson ließen sich hinrudern und besuchten das Schiff. Sie trafen
einige frischvermählte Eskimopaare – Christen natürlich – und einen
lutherischen Missionar, der dabei war, ihnen das Beten noch besser
beizubringen. Er verstand nur Deutsch und Innuit. Ohne einen Dolmetscher war
nichts zu machen.
    Innuit, so nannten die Eskimos sich selbst. Es hieß Menschen. Sonst
machten sie einen bescheidenen Eindruck, waren auch sauber und gefällig.
Richardson meinte dazu, die Segnungen der Religion seien bereits zu erkennen, man
sehe es an den Augen.
    Back lächelte. Aber das tat er oft genug. Er lächelte, weil er sich
selbst gut gefiel und auch den anderen gefallen wollte, vor allem Franklin.
John ahnte das. Aber wenn Back etwas konnte und zu einer zuversichtlichen Stimmung
beitrug, war es willkommen. Die Stimmung war gut.
    Nach dem Zusammenstoß mit einem Eisberg, der das Ruder
zerschlug, ankerte die Prince of Wales schließlich
bei der York Factory an der Westküste der Hudsonbai.
    An Land waren neue Namen und Gesichter dem Gedächtnis einzuprägen,
Franzosen, Indianer, Beamte der Pelzhandelsgesellschaft, sowie ein Major von
den Royal Engineers namens By, der die Möglichkeit prüfte, von hier aus ein
Kanalsystem bis zu den Großen Seen zu graben. Er erzählte auch von der
Frontenac, einem Dampfboot, das auf dem Lake Superior herumfuhr und schwarze
Rauchwolken ausstieß. Die Technik siegte überall, und er war ihr Mann!
    Â»Wenn Sie keine Nordwestpassage finden, Gentlemen, dann werde ich
eben einen Kanal schaffen mit hundert Schiffsladungen Sprengpulver.« So ein
Kerl war dieser By! John mochte ihn nicht sehr. Er antwortete nur: »Es wird
schwer sein, Kapitäne und Mannschaften für solche Schiffe zu finden.«
    Schon nach wenigen Tagen brachen sie auf, denn es war
September, und Franklin wollte vor dem Winter noch möglichst weit kommen. Gegen
die Strömung ging es mit einigen Indianern und frankokanadischen Trappern über
Flüsse und Seen bis zum Winnipegsee, dann über den Saskatchewanfluß hinauf bis
zum Handelsposten Cumberland House. Auch Frauen waren dabei.
    Die Trapper nannten sich Voyageurs und sprachen auch sonst nur
Französisch. Freundlich waren sie zu niemandem, höchstens zu ihren Hunden.
François Samandré besaß zwei Frauen, die er für die Dauer der Reise gegen Geld
an Kollegen verliehen hatte. Zwei andere Voyageurs hatten zusammen nur eine.
Sie wurde zweifellos doppelt so oft verprügelt wie andere. Der Schnapsrausch
brachte diese stumpfen Gesellen stets in eine unfaßbare Wut auf alles: sich
selbst, die Frauen, die Boote – sogar die Hunde. John versammelte eines Morgens
die ganze Mannschaft und erklärte, daß er jeden Raufbold und Prügler
fortschicken werde. Als er dies in einem Falle wirklich getan hatte, wurde es
etwas besser.
    Zur Nahrung diente Pemmikan, ein Gemisch von Fett und zerstoßenem
Fleisch, dem Zucker und Beeren beigemengt waren, ein absonderlicher Kitt, aber
er gab Kraft. Zu Paketen von je achtzig Pfund war er in Stierhäute eingenäht.
    Ãœberhaupt die Lasten, das Schleppen! Oft mußten die Boote seitlich
der Wasserfälle hinaufgeschleift werden ohne Weg und Haltegriff. Schon der
Kampf mit der Strömung ließ die Schultern schmerzen, Nässe und Kälte taten das
ihre. Mit frommer Rede konnte der Doktor da nichts mehr ausrichten. Aber er
hatte auch gute Salben dabei.
    Back war tüchtig, aber viel zu ungeduldig. Gewiß, es ging
nicht sehr schnell voran, aber darauf mußte man sich eben einstellen. Die
Voyageurs rasteten zu jeder vollen Stunde und rauchten eine Pfeife. Wenn sie
das brauchten – gut. Sie maßen

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