Die Entdeckung der Virtualität.
an eine Maschine anschließen, die bestimmte Folgen von Duft-, Licht-, Tastreizen usw. in das Gehirn hineinschickt. Auf diese Weise wird er auf der Spitze der Pyramiden stehen, in den Armen der Miss Universum des Jahres 2.500 liegen oder mit des Schwertes Schneide den waffenstarrenden Feinden den Tod bringen. Dabei muß die Maschine die Reize, welche sein Gehirn in Reaktion auf die entsandten Impulse erzeugt, unverzüglich, im Bruchteil einer Sekunde, an ihre Subsysteme weiterleiten, in denen es aufgrund der Korrekturwirkung der Rückkoppelungen und aufgrund der Organisation von Reizströmen durch entsprechend projektierte, sich selbst organisierende Systeme dazu kommt, daß Miss Universum auf seine Worte und Küsse reagiert, daß die Stiele der Blumen, welche er in der Hand hält, gleichzeitig erschlaffen und daß aus der Brust des Feindes, den er mit Lust durchbohrt, das Blut hervorspritzt. Ich bitte diesen melodramatischen Ton zu entschuldigen, aber ich möchte ohne allzu große Platzund Zeitverschwendung darstellen, worauf die Wirkung der Phantomatik als einer »Kunst mit Rückkoppelung« beruht, die den ehemaligen Rezipienten zum aktiven Teilnehmer, zum Helden, zum Mittelpunkt programmierter Ereignisse macht. Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich derartiger Bilder bediene, auch wenn sie ein bißchen opernhaft sind, statt technische Ausdrücke zu benützen, die nicht nur die Darstellung schwerfällig machen würden, sondern auch insofern nicht angebracht wären, als es bislang weder eine phantomatische Maschine noch Programme für sie gibt.
Daß die Maschine über ein Programm verfügte, welches sämtliche eventuellen Taten des Rezipienten und Helden in einer Person von Anfang an voraussieht, ist unmöglich. Trotzdem brauchte die Maschine nicht eine Komplexität zu besitzen, die der summierten Komplexität sämtlicher in der Vision auftretender Personen (auch der Feinde, der Höflinge, der Miss Universum usw.) entspricht. Bekanntlich versetzt uns der Traum in verschiedene ungewöhnliche Umgebungen, wir treffen eine Unmenge von teils merkwürdigen Menschen, die sich vielfach exzentrisch verhalten und uns durch ihre Äußerungen verblüffen, sogar mit gewaltigen Volksmengen führen wir Gespräche, und dabei ist das Ganze, das heißt die unterschiedlichsten Umgebungen und unsere Traumpartner, das Produkt nur eines einzigen, träumenden Gehirns. Das Programm der phantomatischen Vision kann demnach nur ein Rahmenprogramm sein, zum Beispiel »Ägypten zur Zeit der XI. Dynastie« oder »Das unterseeische Leben im Mittelmeerbecken«, und die Gedächtnisspeicher der Maschine müssen mit einer Unmenge von Fakten gespeist sein, die sich auf das jeweilige Thema beziehen und bei Bedarf aus ihrem Dämmerschlaf geweckt und plastisch vermittelt werden. Der Bedarf entsteht selbstverständlich nur durch das »Verhalten« des Phantomatisierten, etwa, wenn er sich umdreht, um jenen Teil des Thronsaales der Pharaonen zu betrachten, der sich »hinter seinem Rücken« befindet. Die Impulse, welche sein Gehirn in diesem Falle zu den Genick- und Halsmuskeln schickt, müssen unverzüglich dadurch »pariert« werden, daß die afferente Projektion des optischen Bildes sich in der Weise ändert, daß tatsächlich der »hintere Teil des Saales« in sein Gesichtsfeld tritt; die phantomatische Maschine muß ja auch auf jede, selbst die geringste Veränderung des vom menschlichen Gehirn ausgehenden Reizstromes in einer dieser Veränderung entsprechenden Weise unverzüglich reagieren. Das sind natürlich nur die ersten Anfänge des phantomatischen Einmaleins. Auch die Gesetze der physiologischen Optik, der Schwerkraft usw. usf. müssen exakt reproduziert werden (es sei denn, daß das Thema der gewünschten Vision dem entgegensteht: jemand möchte »mit ausgebreiteten Armen fliegen«, was dem Gravitationsgesetz widerspricht). Außer den erwähnten strikt deterministischen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung muß die Vision aber auch Prozeßabläufe enthalten, die eine relative Freiheit besitzen, was nichts anderes heißt, als daß die in ihr auftretenden Gestalten, die phantomatischen Partner unseres Helden, menschliche Merkmale besitzen müssen, also eine (relative) Unabhängigkeit des Redens und Handelns von den Worten und Taten des Helden; sie dürfen keine Marionetten sein — es sei denn, daß der Phantomatisierungswillige auch hier wieder einen entsprechenden Wunsch vor der »Vorstellung« äußert. Die Komplexität der in
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