Die Entdeckung des Himmels
la victoria siempre! – Dos amigos verschiffen ließ. Als er diesen Text später zum besten gab, nickte Onno zustimmend, aber Ada warf ihm einen kurzen Blick zu, der ihn wie eine Ohrfeige traf. Er schlug die Augen nieder und dachte dasselbe wie sie. Dos amigos? Ging ein Freund mit der Freundin seines Freundes ins Bett, oder eigentlich ins Meer, auch wenn sie früher einmal die eigene Freundin gewesen war? Seinen eigenen Worten zufolge war ihre Freundschaft doch der Zustand, in dem man dem anderen sogar das erzählte, was man eigentlich niemandem erzählte – aber würde er Onno je erzählen, was er im Golf von Mexiko getrieben hatte? Ob er es nun tat oder nicht, war es nicht so oder so das Ende der wahren Amistad ? Wenn er es erzählte, so mußte daraus nicht unbedingt Feindschaft werden, es konnte alles mögliche werden, aber auf jeden Fall etwas anderes. Angesichts der Tatsache, daß er es nicht erzählen würde, war eine wesentlich verworrenere Situation entstanden: Für Onno war alles beim alten, doch er, Max, und Ada hatten jetzt etwas zu verbergen, sie hatten ihn beide betrogen. An der Situation an sich änderte es nichts, aber Onno war jetzt wie jemand, der sein Vermögen in eine Zeichnung von Rembrandt gesteckt hatte, die ein Dieb eines Nachts durch eine tadellose Kopie ersetzte – für den Rest seines Lebens würde er nicht wissen, daß er ein wertloses Stück Papier an der Wand hängen hatte. Was Max und Ada ihrerseits nicht wußten, war, daß auch Onno sein Abenteuer erlebt hatte – aber er war verführt worden, er hatte seine Freundin betrogen, und nicht auch noch seinen Freund. Max beschwichtigte sein Gewissen mit der Überlegung, daß es eigentlich nicht im Oktober passiert war, sondern schon im Juni, wie die verspätete Begleichung einer Schuld für etwas, das man irgendwann gekauft hat und inzwischen gar nicht mehr besitzt, das aber dennoch bezahlt werden muß – eine Woche später hatte es sich harmonisch zu den anderen unglaubwürdigen Erlebnissen auf der Insel gefügt, die zusammengefaßt wurden in dem Aphorismus, den er auf dem Flugplatz von Havanna gesehen hatte: Wo das Unmögliche zum Alltag wird, findet eine Revolution statt. Er fühlte sich erfrischt von dem interkontinentalen Ausflug, und im Hörsaal der Sternwarte hielt er einen leidenschaftlichen Vortrag über die Revolution auf Kuba; auch von anderen Fakultäten waren Leute gekommen, die einmal den Bericht eines Augenzeugen hören wollten. Da einige Ausländer dabei waren, sprach er Englisch; ein amerikanischer Kollege vom Goldstone-Radioteleskop, der Sonnenforschung betrieb, regte sich über die Würgepolitik seiner Regierung auf. Er schäme sich, Amerikaner zu sein! Onno kam seiner Pflicht bei seinen politischen Freunden nach. Auch er verschwieg, daß er Delegierter auf einem Kongreß radikaler Revolutionäre gewesen war, da ihm die Geschichte ohnehin niemand glauben würde. Aber er gab seiner Überzeugung Ausdruck, daß das Hauptproblem der Dritten Welt die Infrastruktur darstelle, und zwar nicht nur hinsichtlich des Güterverkehrs, sondern auch der Information: alles sei gleich mangelhaft, und deshalb seien die verrücktesten Dinge möglich, er könne dafür verblüffende Beispiele geben. Und dann die Ideologie! Erst auf Kuba begreife man die volle Bedeutung des Wortes Radikalität, In den Vereinigten Staaten sei der linke Flügel der Demokratischen Partei immer noch rechter als die rechteste Partei in den Niederlanden, und eine Partei, die so rechts sei wie die Republikanische Partei, um von deren rechtem Flügel ganz zu schweigen, existiere hier gar nicht als reale Partei; auf Kuba aber stehe die Führung noch viel weiter links als die Kommunistische Partei in den Niederlanden. Die amerikanische Raserei über die Existenz dieses roten Bollwerks vor ihrer Küste sei so gesehen verständlich, für die Amerikaner hausten dort schlichtweg der Teufel und seine alte Mutter – die neuen Rothäute, die umgelegt werden müßten, und zwar mit Pistolenschüssen aus der Hüfte; für die niederländischen Sozialdemokraten bedeute das, daß die Situation dort aufmerksam und mit sachlich relevanter Skepsis beobachtet werden müsse, und sei es mit weiser Zurückhaltung.
»Ich gehe kurz in die Stadt«, sagte Ada.
Im Mantel hatte sie den Kopf durch die Tür von Onnos Arbeitszimmer gesteckt. Er hatte Besuch von einem schnurrbärtigen Mitstreiter, der eine große, gebogene Pfeife rauchte; mit dem Rücken zu ihr winkte Onno kurz mit der Hand,
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