Die Entdeckung des Himmels
erreicht werden ; die wissenschaftliche Methode müsse die der Induktion sein, wobei man vom Besonderen zum Allgemeinen aufsteige, von den empirischen Erscheinungen hin zu den Naturgesetzen – obwohl du und ich natürlich wissen, daß die einzig wahre Methode die umgekehrte ist : die der Deduktion. Am Ende seines Lebens schrieb er Nova Atlantis, ›Das neue Atlantis‹, das Fragment geblieben ist und postum veröffentlicht wurde. Darin beschreibt er das zentrale Institut auf einer utopischen Insel namens Bensalem, die er ›Salomons Haus‹ nennt, aber das ist etwas vollkommen anderes als der gebenedeite Tempel Salomons in Jerusalem, der uns so am Herzen liegt, und es ist auch keine christliche Kirche, sondern eher ein modernes Forschungszentrum, wo sogar neue biologische Arten hergestellt werden.
Aus menschlicher Sicht klingt das alles sehr selbstverständlich.
So selbstverständlich, daß im zwanzigsten Jahrhundert auf der Erde eigentlich gar nicht mehr darüber geredet wird. Das ist die Gefahr des Rechthabens : kaum ein Mensch ist sich noch bewußt, daß es je anders war. Stell dir vor, das wissenschaftliche Experiment war zu Bacons Zeit noch so gut wie unbekannt !
Darum hat es uns immer gewundert, daß gerade dieser rationale Begründer der wissenschaftlich-technologischen Moderne mehr als irgend jemand sonst von Mysterien umgeben ist. Unter anderem soll er der Begründer der Freimaurerei gewesen sein, außerdem verkappter Rosenkreuzer und in zahlreiche andere Geheimbünde involviert. Seit Jahr und Tag gibt es die Sekte der Baconianer, die mit numerologischer Müh und Not zu beweisen sucht, daß er die Dramen und Sonette von Shakespeare geschrieben haben soll. Alles Unsinn natürlich, aber warum hat sich das alles gerade an die Fersen dieses kühlen, realistischen Bekämpfers von Trugbildern geheftet ? Er soll auch nicht nur der tatsächliche Autor von Burtons Anatomy of Melancholy sein, sondern, hergeleitet aus diversen an den Haaren herbeigezogenen Akrostichons, auch des Œuvres von Edmund Spenser – und, wie kann es anders sein, auch von Marlowe. Bacon als der Verfasser des ersten Faust-Dramas ! Bei seiner Beerdigung soll ein leerer Sarg in die Erde gelassen worden sein, denn danach habe er noch einundzwanzig Jahre unter anderem Namen in Deutschland gelebt.
Bestimmt in Württemberg !
In der Hauptstadt, in Stuttgart. Diese sogenannte Entdeckung hat uns schließlich wachgerüttelt, und wir können jetzt rekonstruieren, wie das Ganze abgelaufen ist. Die Baconianer behaupten immer wieder, er sei das legitime Kind von Königin Elizabeth und des Grafen von Leicester, tatsächlich aber wurde er 1561 als Sohn von Elizabeths Großsiegelbewahrer geboren.
Da er das jüngste Kind war, blieb er nach dessen Tod mittellos zurück ; als dreiundzwanzigjähriger Jurist bekam er einen Sitz im Parlament. Er wollte ebenso reich und mächtig werden wie sein Vater, aber es wollte nicht so recht vorangehen mit seiner Karriere. Sein Busenfreund, der Graf von Essex, Liebhaber der Königin, tat für ihn, was er konnte, aber Elizabeth traute Bacon nicht. Als all seine Versuche, seinem Freund einen hohen Posten zu beschaffen, gescheitert waren, schenkte der brave Essex ihm als Trostpflaster ein Landgut aus seinem eigenen Besitz. Das war 1595. Vier Jahre später jedoch fiel Essex selbst in Ungnade, es wurde ein Prozeß wegen Hochverrats gegen ihn vorbereitet, und plötzlich ließ auch Elizabeth von sich hören. Ob Bacon die Freundlichkeit hätte, die Anklage abzufassen. Damit hatte die Stunde des Teufels geschlagen, denn was glaubst du ? Er tat es obwohl er wußte, daß das zur Hinrichtung seines Wohltäters führen würde. Die Bestie versprach ihm, daß er noch höher aufsteigen würde als sein Vater, aber dafür sollte er zunächst seine Unterschrift unter die Anklage setzen und danach einige Bücher veröffentlichen, die ihm diktiert werden würden.
Warum suchte sich Luzifer hierzu gerade Bacon aus ?
1597 hatte er eine Sammlung intelligenter Essays veröffentlicht, die noch immer gelesen werden, aber nicht so sind, daß sie sofort die Aufmerksamkeit des Teufels auf sich ziehen. Jedoch viel früher, 1583, hatte er im Alter von zweiundzwanzig Jahren ein Pamphlet das Licht der Welt erblicken lassen mit dem Titel Temporis partus maximus, ›Die großartige Geburt der Zeit‹.
Es hat unser Mißtrauen erregt, daß davon kein einziges Exemplar mehr erhalten ist ; und wir vermuten nun, daß darin ein Ton angeschlagen wurde, der den
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