Die Entdeckung des Himmels
spielte, wenn sie in ihrer Musik aufging.
27
Trost
Als der Taxifahrer Max sah, sagte er, daß er gar nicht daran denke, ihn so mitzunehmen.
»Du kannst von mir aus zu Fuß gehen, mein Lieber. Ich habe nämlich nagelneue Sitzbezüge.«
Erst als Max sich beim Pförtner eine Tageszeitung geholt und auf den Rücksitz gelegt hatte, war der Mann bereit, ihn zu fahren. Max war schockiert über so viel Schroffheit, andererseits war es ihm ganz recht, denn nun mußte er nicht aus Höflichkeit Konversation machen, wahrscheinlich über Fußball, wovon er absolut keine Ahnung hatte, nicht einmal die Regeln kannte und auch nicht kennen wollte.
Wieder dieser Regen und der kräftige Wind. Noch immer war ihm nicht richtig klar, was passiert war. Als das Taxi auf die Schnellstraße kam, schloß er die Augen: der Baum plötzlich quer über der Straße … die Böschung … Adas Kopf auf dem Kissen, das schwarze Haar auf dem weißen Bezug … die blendenden Scheinwerfer in der rasenden Nacht mit den Sirenen und dem Blaulicht … der Schlamm, die Äste … er radelt über die Rapenburg, und eine Frau im Sommerkleid fährt neben ihn. Sie fragt, wo die Straßenbahn nach Noordwijk hält. Ganz in der Nähe, sagt er, die erste Straße links. Was kostet die Straßenbahn? Sie können am besten mit dem Rad hinfahren, es ist nicht weit. Aber vielleicht muß ich lange warten am Fahrradstand? Das wird schon nicht so schlimm sein. Es ist schon fünfvor halb fünf. Im Botanischen Garten treffen ihn die ersten belaubten Bäume: die obere Hälfte ihrer Kronen ist mit einer dicken Schneeschicht bedeckt, die blendendweiß in der Sommersonne glitzert. Sieh mal! ruft er und hält an, aber es scheint sie nicht zu interessieren; in Gedanken versunken fährt er zum Strand …
Mit einem Ruck wachte er auf. Durch das Türfenster sah er kurz den Eingang des Capitols in Havanna – das im nächsten Augenblick jedoch zum Eingang der Universitätsklinik in Leiden zusammengeschrumpft war. Seine Kleider waren noch feucht. Es regnete, aber der Sturm hatte sich gelegt, oder vielleicht hatte er hier gar nicht gewütet; er bezahlte und ging ohne Gruß hinein.
Der Nachtportier, der ihn mißtrauisch von Kopf bis Fuß musterte, hatte eine Nachricht für Herrn und Frau Quist – wer er denn sei. Als er sich entschloß, Max’ Geschichte zu glauben, sagte er, Frau Brons sei vor zehn Minuten nach Hause gegangen sei. Sie werde dort weiter auf ihre Tochter warten.
»Und Herr Brons?«
»Der ist gegen halb eins gestorben.«
Max wandte sich ab, sah ihn wieder an, wandte sich erneut ab und sah ihn wieder an.
»Wären Sie bitte so freundlich, das Krankenhaus in Hoogeveen für mich anzurufen?« Er merkte, daß ihm die Förmlichkeit dieses Satzes bei seiner Selbstbeherrschung half.
Der Pförtner tat, worum er gebeten worden war, und reichte ihm den Hörer. Es dauerte eine Weile, bevor er Onno ans Telefon bekam.
»Mutter?«
»Nein, hier Max. Ich bin jetzt in Leiden im Krankenhaus.« Er zögerte einen Augenblick. »Das Elend ist noch nicht zu Ende, Onno.« Und als es still blieb: »Adas Vater ist tot.«
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst!«
»Es ist, als ob das alles nicht wahr wäre.«
»Mein Gott, ich werde noch wahnsinnig. Das ist doch nicht möglich! Dieser brave Kerl. Wirklich tot?«
»Es scheint um halb eins herum passiert zu sein, mehr weiß ich auch nicht.«
»Und meine Schwiegermutter? Hast du ihr schon erzählt, was mit Ada passiert ist?«
»Ich habe noch nicht mit ihr gesprochen. Sie hat auf uns gewartet, aber jetzt ist sie zu Hause, ich fahre gleich hin. Wie geht es Ada?«
»Sie ist jetzt beim Neurologen, sie machen Aufnahmen.«
»Also ich geh jetzt. Alles Gute. Sieh zu, daß du noch ein wenig schläfst.«
»Ja, sie haben hier ein Bett für mich gemacht, hier in Adas Zimmer. Ich werde versuchen, sie morgen sofort nach Amsterdam überführen zu lassen.«
»Deine Schwiegermutter wird dich sicher gleich noch anrufen.«
»Ich danke dir, Max. Für alles, was du für mich getan hast.«
Max gab dem Pförtner den Hörer zurück.
»Könnte ich mir kurz die Nummer des Krankenhauses aufschreiben?« Nachdem er sie notiert hatte, fragte er: »Würden Sie jetzt bitte ein Taxi für mich rufen? Ich warte draußen.«
»Auch Ihnen alles Gute«, sagte der Pförtner und nahm den Hörer wieder auf.
Draußen holte Max einige Male tief Luft. Was war das für eine Nacht? Jetzt traf es sie, in anderen Nächten traf es andere, und auch heute nacht
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