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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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Schüchtern lachend sah der Antiquar auf seine Hände; vielleicht wolle es der Herr selbst herausnehmen? Auch sein Gesicht war voller Farbe. Während Max zur Auslage ging, las er auf der Schaufensterscheibe spiegelverkehrt:

    Antiquariat
    »Lob der Torheit«

    Er zeigte auf das Preisschild auf dem Schutzumschlag und sagte, daß die Bücher nicht eingepackt zu werden brauchten.
    Nachdem er bezahlt hatte, sah er wieder hinüber zum Hinterzimmer. Das Mädchen saß noch immer in derselben Haltung mit ihrem Cello da und beantwortete seinen Blick. Er ging zu ihr und reichte ihr das Buch von Fabergé.
    »Für dich. Ein Geschenk für die Koda.«
    Nein, wirklich, sie errötete. Sie legte das Cello zur Seite und stand auf, um das Buch entgegenzunehmen.
    »Wie nett …«, sagte sie mit einem Lachen. Die beiden oberen Schneidezähne waren etwas breiter und länger als die anderen.
    Max wandte sich ihrem Vater zu.
    »Darf ich Ihre Tochter zu einer Tasse Kaffee entführen?«
    Bei seinen Bemühungen, die Kasse nicht zu beschmieren, war ihm die Szene mehr oder weniger entgangen. Er murmelte, daß sie das selbst entscheiden müsse.
    Max streckte die Hand aus.
    »Delius, Max.«
    Ada legte ihre Hand hinein.
    »Ada Brons.«

7
Die Sternwarte
    De Vergulde Turk war ganz in der Nähe, in der Breestraat. Ironisch, wie ein Kavalier der alten Schule, hatte Max ihr auf der Straße seinen Arm gereicht; sie hatte sich eingehängt, und so spazierten sie jetzt plötzlich zu ihrer eigenen Verwunderung durch die Stadt, und sie redete mit einem Wildfremden über Janáček. Sie hoffte, daß Bruno sie nicht sehen würde.
    Max warnte sie vor seinem Freund, der auf ihn wartete: ein Tiermensch, den sie nicht ganz ernst nehmen dürfe.
    Im großen Café herrschte Hochbetrieb; hinten im Lokal randalierte eine Gruppe Studenten in Blazern, mit Biergläsern in den Händen. Sie fanden Onno am Lesetisch, wieder mit einem Glas Milch und einer halben Fleischkrokette neben seiner Zeitung.
    »Bitte«, sagte Max und legte das Buch neben ihn. »Mein Leben. Für dich.«
    »Genau.« Onno sah auf, um ihm zu danken, und sah, daß er in Begleitung war.
    »Onno Quist«, sagte Max. »Ada Brons.«
    Im selben Augenblick ließ irgendwo ein Ober ein Tablett mit Geschirr fallen, gefolgt von Beifall und Bravo-Rufen der Studenten. Onno stand auf und gab ihr die Hand und sah dann Max mit einem kurzen Blick an, der sich kaum von dem unterschied, mit dem Max auf die halbe Krokette geschaut hatte. Sie zogen Stühle heran, und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als ob Onno, moralisch entrüstet, weiter in seiner Zeitung lesen würde; doch er lehnte sich zurück, schlug ein Bein über das andere, so daß das blauweiße Fleisch über der zu kurzen Socke sichtbar wurde, und fragte wie ein von sich eingenommener Landpsychiater:
    »Kennt ihr euch schon lange?«
    »Wir haben uns nie nicht gekannt«, sagte Max und sah, in Erwartung eines Zeichens der Zustimmung, zu Ada.
    Als es nicht kam, begann Ada Onno zu gefallen.
    »Ich verstehe nicht, wie ein vernünftiges Mädchen wie du es mit so einem eine Ewigkeit aushalten kann. Aber vielleicht hat er ja eine geheime Seite, die er mir bis jetzt geschickt verheimlicht hat. Was möchtest du trinken?«
    »Ein Mineralwasser, bitte.«
    »Wasser«, wiederholte Onno und verzog das Gesicht. »Wasser ist zum Zähneputzen da.«
    »So ist es«, sagte Max. »Denk dran.«
    Ada wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie mußte sich an den Umgangston der beiden erst gewöhnen. Es klang alles ziemlich studentisch, aber doch anders als das, was sie von den Korpsstudenten aus Leiden gewohnt war, bei denen der Ton zugleich der Inhalt der Konversation war. Vielleicht war die Art und Weise des Umgangs jungenhaft : die übermütige Übertreibung kleiner Jungs aus der Volksschule. Wenn das so weiterging, schienen die beiden ein anstrengendes Paar zu sein. Sie neckten sich, natürlich, weil sie sich mochten. In diesem Onno vor allem hatte sich wohl einiges angestaut; Max war anders, leichter: wenn Onno der Felsen war, dann war Max das Wasser. Die Art, wie er sie eingeladen hatte, war unwiderstehlich gewesen, aber auch routiniert, mit Sicherheit hatte er es schon hundertmal so gemacht, und obendrein sah er ein wenig zu gepflegt aus. Oder war das Weitläufigkeit? Sie selbst kam sich vor wie eine steife Tante. Und schon redeten die beiden wieder innig miteinander, über ihre geheimen Seiten, wobei die des einen noch furchterregender zu sein schien als die des anderen,

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