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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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drittens … ja, was war das noch? Verzeihen Sie, aber da haben Sie einen grundsätzlichen Punkt berührt, über den wir vielleicht von vornherein offen reden sollten. Sie haben mich gebeten, die Geschichte ausführlich und detailliert zu erzählen, also habe ich damit angefangen. Aber offen gestanden habe ich keine Lust, eine Geschichte zu erzählen und gleichzeitig zu begründen, weshalb es so ist, wie es ist, an welcher Stelle ich eingegriffen habe und an welcher nicht und warum.
    Habe ich dich jetzt auf dem falschen Fuß erwischt?
    Zum einen habe ich gar keine Füße, denn in unserer pneumatischen Domäne bestehen wir rein aus Intelligenz – und zum anderen –.
    Zum anderen?
    Lassen Sie’s mal gut sein. Ich bin durchaus bereit, hin und wieder Rechenschaft abzulegen oder etwas näher zu erläutern, aber ich habe nicht die Absicht, mir währenddessen ständig in den eigenen Schwanz zu beißen.
    Hast du denn einen Schwanz?
    Vielleicht hat die Geschichte einen.
    Ich weiß nicht, oh du es weißt, aber der Ouroboros, eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt, ist auf der Erde ein Symbol der Ewigkeit.
    Mag ja sein, aber wenn ich nicht so erzählen kann, wie es die Ereignisse erfordern, dann müssen Sie sich eben mit der Mitteilung zufriedengeben, daß die Sache tatsächlich rund ist. Sie können mir hundert Fragen stellen, oder tausend, oder hunderttausend, Sie können mich fragen – sagen wir einfach mal, warum Kuba mit Gewalt in die Geschichte hineingezogen werden mußte, und ich weiß nicht, was noch alles, das wird sich alles klären. Sie können ruhig davon ausgehen, daß nichts passiert ist, was nicht unbedingt notwendig war, zumindest nichts, was meine Interventionen betrifft. Es ist nicht von ungefähr so, daß ich noch kein einziges Mal »ich« gesagt habe.
    Bis auf dreimal. Und jetzt will ich dir mal was sagen: Die Tatsache, daß auch du dich an der Spitze der Hierarchia Caelestis befindest, gibt dir noch lange nicht das Recht, einem Funktionär gegenüber, der immer noch ein ganz kleines bißchen über dir steht, einen derart frechen Ton anzuschlagen. So stehen die Dinge hier nun mal. Es macht mich allmählich trübsinnig, aber vielleicht liegt das auch an deiner Geschichte. Klar, keiner von uns überblickt das ganze Pleroma, aber wenn man wie wir am Rande des Lichtes operiert und den Blick auf die dämonische Welt der Dunkelheit richtet, dann hat man es doch schwerer als die höheren Entitäten, die davon kaum einen Schimmer haben; und du stehst sogar noch mehr mit dem Rücken zum Licht und mit dem Gesicht zur Dunkelheit als ich.
    Wenn ich mich recht entsinne, hast du dich früher sogar einige Male in diesem archontischen Areal gezeigt, das sich weiß Gott nicht rühmen kann, vom Chef erschaffen worden zu sein, wie die meisten von diesen Schaumschlägern dort glauben – die anthropische Lichtexplosion, die zu ihnen führen sollte, war das Werk unserer Zentrale. Im Vergleich zu mir bist du fast schon einer von ihnen, auch wenn du für sie ein unendlich weit Entfernter bist, vorausgesetzt, sie haben überhaupt noch eine Ahnung von deiner Existenz. Die meisten kennen Wesen wie uns nur noch in Gestalt infantiler Phantasien wie Superman oder Batman. Und möchtest du wissen, wieso? Weil sie inzwischen nahezu all unsere Fähigkeiten in Form ihrer Technik selbst besitzen. Und das ist unsere eigene Schuld. Jahrhundertelang haben wir hier selbstgenügsam geschlafen, währenddessen Satan-El hart gearbeitet hat.
    Satan-El? Was höre ich da? In welcher Gestalt?
    Diese ganzen Typen sind sowieso das letzte Pack: Belial-Satan, Beelzebub-Satan, Asmodee-Satan, Azazel-Satan, Samael-Satan, Mephistopheles-Satan, wen du auch nimmst, sie sind alle gleich. Aber es war natürlich wieder Luzifer-Satan.
    Was hat dieses Scheusal denn gemacht?
    Das haben wir erst vor kurzem herausbekommen. Ohne daß wir es bemerkten, hat er vor vierhundert Jahren einen Pakt mit der Menschheit geschlossen. Eine Art teuflisches Gegenstück zum Testimonium des Chefs.
    Was Sie nicht sagen! Ich kenne nur die Geschichte, daß Mephistopheles einen Pakt mit einem gewissen Doktor Faust geschlossen und dieser ihm seine Seele verkauft haben soll, aber das schien mir eher in den Bereich der Literatur zu gehören.
    Das ist auch der Fall, aber dahinter verbirgt sich offenbar ein sehr gefährlicher Aspekt. Darf ich deinem Gedächtnis ein wenig nachhelfen? Der historische Johannes Faust war ein umherreisender deutscher Magier aus Württemberg mit einem

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