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Die Entführung der Musik

Die Entführung der Musik

Titel: Die Entführung der Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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eine Folter für die Sinne. Nach dem, was sie hier sahen, hatte der Burgherr so viel ästhetisches Empfinden wie eine Schleimschnecke. Unglaublich schlecht gemalte schwarzsamtige Porträts nicht erkenn- barer Musiker hingen sich in einer langen Reihe an den Wänden ge- genüber.
    »Alles Menschen«, bemerkte Mudge zu den Bildern. »Glaub ich zumindest. Das verdammte Gepinsel is so schlecht, daß es manchmal schwer zu sagen is. 'ab schon Muscheln gegessen, die besser malen konnten.«
    »Muscheln haben keine Hände«, führte Jon-Tom an.
    »Trotzdem bleib ich dabei, Kumpel.«
    Sie näherten sich dem rückwärtigen Ende der Halle. Der fehlerhaft gewebte gelbbraune Teppich, über den sie schritten, endete am Fuß eines Throns. Dieser bestand durch und durch aus fünfkarätigem Gold und war mit musikalischen Motiven verziert.
    Auf einem seit Tagen dringend der Wäsche bedürftigen Baumwoll- kissen saß eine magere, von Windpockennarben übersäte Gestalt mit einer elektrischen Gitarre auf dem Schoß. Der Mann trug billig ge- bleichte Jeans, Turnschuhe, die auf den ersten Blick teuer aussahen, in Wirklichkeit aber aus dem Sonderangebot eines K-mart Discounters stammten, ein bis zum fusselgefüllten Bauchnabel offenes Sweatshirt, von dem sich die unsauber applizierten Comicfiguren schon ablösten, und die mit dem Schirm nach hinten aufgesetzte marineblaue Billig- kopie einer Los Angeles Raiders-Baseballkappe, ein Ramschprodukt aus Hongkong. Der Pirat auf dem Emblem wies ganz entschieden ori- entalische Züge auf.
    Die eine Hand ruhte träge auf der Gitarre, während die andere aus einer mit Bergkristallimitaten besetzten riesigen Goldschale in Ket- chup schwimmende Pommes frites pickte. Der ungelenke Körper war fischig weiß, das Gesicht verkrampft und verkniffen. Braune Augen wurden vom fettigen Filz schwarzen Haars umrahmt. Jon-Tom fühlte sich an ein Porträt des Miesepeters Ichabod Crane erinnert, das er einmal in einer Billigedition gesehen hatte. Mit dem besten Willen konnte er bei dem vor ihnen sitzenden Individuum nichts im gerings- ten Ansprechendes entdecken.
    Gerade wischte die Gestalt auf dem Thron sich einen matschigen Frittenrest aus den Mundwinkeln, da erblickte sie die Eindringlinge und erstarrte. Das Kartoffelstückchen torkelte zu Boden, wo es sich einem kleinen, aber wachsenden Haufen von Schicksalsgenossen zu- gesellte. Kaum zu glauben, daß eine gesunde Knollenfrucht ihr Leben für ein solches Ende geopfert hatte.
    Jon-Tom sah, daß kein Kabel von der Gitarre wegführte, wußte aber aufgrund des Gewimmers, das sie gerade gehört hatten, daß sie in ir- gend etwas eingestöpselt sein mußte. Hexerei war als Ersatz für eine Steckdose durchaus geeignet. Als Profi fragte er sich, ob es wohl Wechselstrom- oder Gleichstromhexerei war.
    Ein unangenehmes Rumpeln drang aus dem Bauch der knochigen Gestalt. »Wer zum Teufel seid ihr, und wie seid ihr hierhergekom- men?« Es war die schrille Stimme einer mürrischen Krähe, besorgt, aber nicht in Panik.
    Das Gewicht der Duar gab Jon-Tom ein beruhigendes Gefühl. Mudge stand an seiner Seite bereit (nun ja, ein paar Schritte hinter ihm). Vor dem Eingang zum Schloß dröhnten Donnerschläge. Schon lange hatte er sich keiner so aufgeladenen Situation mehr stellen müs- sen. Was, wenn er nicht mehr die alten Fähigkeiten besaß? Das hier war nicht das gleiche, wie am Feuer zu sitzen und mit Familie und Freunden zu plaudern, während im Hintergrund Welpen spielten. Hier stand viel auf dem Spiel, und nicht zuletzt vielleicht das eigene Leben.
    Was, wenn es ihm diesmal nicht gelang, die passenden Verse zu reimen? Oder wenn seine Kraft oder seine Fingertechnik ihn im Stich ließen? Was, wenn...?
    Such dir nicht schon Ärger im voraus, sagte Talea immer. Der fin- det dich sowieso von allein.
    »Wir sind gelaufen«, erklärte er dem mageren Musiker.
    Hieronymus Hinckels Blick blieb an der Duar haften. »Du bist auch Musiker?«
    Keine raffinierten Beleidigungen, keine prahlerischen Beschimp- fungen, keine teuflischen Drohungen hätten Jon-Toms Willen besser stärken können als diese einfache Feststellung.
    »Ja, das ist richtig. Ich singe und spiele die Duar. Und wie ist es mit dir?«
    »Fummelt wahrscheinlich an sich selbst rum.« Trotz der Umgebung - oder vielleicht gerade ihretwegen - brachte Mudge ein otternhaftes Kichern zustande.
    Hinckels Augen schossen zur Seite. »Ich sehe, du hast eine große Ratte dabei.«
    Nun trat Mudge nicht nur aus Jon-Toms Schatten heraus,

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