Die Entfuehrung der Wochentage
lebte. Umso verwunderter war sie, dass Tristan mit dem Herrscher in dieser Villa wohnen durfte. Sie hatte angenommen, dass es ein männliches Pendant zum Mädchenhaus geben würde, in welchem die männlichen Sklaven und somit auch Tristan untergebracht waren.
Kaum hatte Tristan seine Handfläche von ihren Lippen entfernt, platzte es aus ihr heraus: »Du lebst bei ihm?«
Zu ihrer Überraschung antwortete er ihr und brachte sie nicht wieder zum Schweigen. »Ja, es sind nicht sehr viele, die er in seiner Nähe duldet, aber ich darf bei ihm wohnen.« Der Stolz, der mitschwang, war unüberhörbar und Sofia warf verwundert ihren Kopf in den Nacken. Sie beobachtete sein Gesicht über ihre Schulter hinweg. »Leben die anderen Sklaven auch dort?«
»Nein, ich bin der Einzige.«
Sprachlos stapfte sie weiter. Ihr Vorhaben, den Sklaven für sich zu gewinnen, schwand rapide. Ihn schien nicht nur das Sklaventum, sondern auch eine eigenartige Freundschaft mit dem Herrscher zu verbinden.
Sie passierten weitere Wachen, die Tristan zu nickten und ihn wortlos durchließen. Anscheinend kannte man den Sklaven und vertraute ihm, jedenfalls durften sie ohne Probleme ins Gebäude hinein.
Sie betraten den kühlen, hellen Steinflur. Der Boden fühlte sich unter Sofias nackten Sohlen schmeichelnd glatt an. Große Kronleuchter hingen protzig von den Decken und spendeten trotz des hellen Tageslichts einen warmen Schimmer. Alte und neuere Ölgemälde von nackten Frauen und Männern zierten die Wände, die an ihren Kanten mit Stuck verputzt waren. Ein frischer Geruch von Zitronen und Vanille erfüllte die Luft und als Sofia die großen Obstschalen und Blumenbottiche wahrnahm, konnte sie auch die Quelle des Geruchs identifizieren.
Sie kamen zu einer Wohnungstür, die Tristan aufsperrte. Erstaunt notierte Sofia, dass es sich um eine weitläufige Wohnung und nicht nur um ein einzelnes Zimmer handelte. Soweit sie das überblicken konnte, bestand die Wohnung aus mehreren Zimmern, die an einen Flur angrenzten. Der junge Mann schob sie durch das Wohnzimmer, weiter durch einen kleineren Gang und zu einem großzügigen Badezimmer hin, das mit einer Dusche und einer Badewanne ausgestattet war. Ohne Umschweife schubste er sie zu der Duschkabine, die bodentiefe Glastüren besaß. Er machte sich nicht die Mühe, die Türen zu schließen, wozu auch, sie war schon nackt und außerdem hätten die durchsichtigen Türen nichts verborgen. Er drehte den Wasserhahn auf und nahm den Duschkopf und Gel in die Hand.
»Lehn dich vor und genieß es einfach«, raunte er zärtlich und begann sie behutsam, einzuseifen. Seine großen Hände fuhren in kreisenden Bewegungen über ihren Rücken und verteilten das Waschgel über ihren ganzen Körper. Die Seife brannte in ihren Wunden, aber den imaginären und tatsächlichen Schmutz loszuwerden, überwog über das stechende Ziehen. Sie biss die Zähne zusammen, als der Schaum durch den Klebeverband sickerte und dort auf den Schnitten juckte.
»Geht’s?«, fragte Tristan und hielt inne.
»Warum willst du das wissen? Es ist doch egal, Tom wird mir bald größere Qualen zufügen, oder?«
Da sie ihm den Rücken zugewandt hatte, konnte sie ihn nicht nicken sehen, aber sie hörte ihn leise ausatmen: »Ja, aber auch wenn er dich gleich bestrafen wird, muss ich ja nicht unnötig grob zu dir sein.«
Das Wasser lief ihr direkt in die Augen und über das Gesicht. »Wieso bist du so nett zu mir? Ich habe dich ernsthaft verletzt!« Sie wandte sich ihm zu und umfasste mit beiden Händen seinen bandagierten Arm, dessen Verband von dem Duschwasser durchweicht war.
Seine Fingerspitzen trommelten liebevoll auf ihren Hüftknochen. »Sonntag, du musst dich nicht entschuldigen. Du warst wie ein Tier, dass man in die Ecke gedrängt hat und genauso hast du reagiert, ich hätte es besser wissen müssen.«
»Hm«, dachte sie über seine Worte nach, die so nachsichtig und vergebend geklungen hatten. Aber sie wusste, dass seine Freundlichkeit nur eine Facette seiner vielen Persönlichkeiten war. Sie traute ihm nicht.
Sie wollte gerade noch etwas hinzufügen, als es an der Eingangstür klopfte.
»Dusch dich fertig«, befahl er, seine Hände glitten von ihrem Körper und er reichte ihr den Duschkopf. »Ich komme gleich wieder, warte hier auf mich.« Sie sah, wie er durch den schmalen Flur verschwand und zur Tür eilte. Kurz darauf konnte sie deutlich zwei Männerstimmen vernehmen. Die eine gehörte Tristan, die andere war ihr
Weitere Kostenlose Bücher