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Die Entfuehrung der Wochentage

Die Entfuehrung der Wochentage

Titel: Die Entfuehrung der Wochentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Kleine
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sammelten sich Berge aus Scherben und Kartons.
    Hektisch durchforstete sie den Hügel, schnitt sich an den Scherben, fluchte auf und fuhr fort die Packungen, die überall verstreut lagen, aufzureißen und zu durchsuchen.
    Schließlich stieß sie auf eine Packung, in der Ampullen gelagert waren, die die besagte Inschrift trugen.
    Triumphierend hielt sie das Gegengift in die Luft und begann, mit Schweißperlen auf der Stirn nach einer Spritze zu suchen. Sie wurde im Besteckkasten fündig. Ein seltsamer Aufbewahrungsort für ein medizinisches Produkt, aber das Tristan nicht ganz bei Trost war, war ihr inzwischen bekannt.
    Sie zog die ganze Ampulle auf, entlüftete die Spritze, so wie sie es in den ganzen Arztserien gesehen hatte, und hoffte, dass dies ausreichend war. Sie eilte zu Tristan zurück. Sie wusste weder, ob sie die Spritze richtig handhabte, noch ob die Dosis nützlich, toxisch oder sogar tödlich war. Aber die Zeit rann ihr davon, denn inzwischen war seine Atmung so flach, dass er zu ersticken drohte. Nur ein schwacher Lufthauch verriet ihr, dass er überhaupt noch atmete. Ihr blieb also keine andere Wahl, als ihr Glück zu versuchen.
    Sie überlegte fieberhaft. In den Muskel spritzen hatte er gesagt, bevor er ohnmächtig geworden war. Ihre Wahl fiel auf den Oberschenkel, da sie dort den größten Muskel vermutete, außerdem konnte sie hier mit ihrer Unerfahrenheit wohl den geringsten Schaden anrichten. Sie öffnete den Hosenknopf und zog ihm die Hose herunter. Wenn Tristan bei Bewusstsein gewesen wäre, hätte es ihn sicherlich amüsiert, wie sie seine Jeans gar nicht schnell genug herunterreißen konnte.
    Als die Hose in seinen Kniekehlen hing und sie vor Anstrengung selbst kaum noch Luft bekam, stieß sie ihm die Nadel nicht gerade zimperlich ins Fleisch und drückte den Kolben der Spritze gewaltsam hinunter.
    Er stöhnte auf.
    Sie drückte auch den letzten Rest des Mittels in seinen Körper, ehe sie erschöpft zurücksank. Gebannt und äußerst ängstlich wartete sie auf den Wirkeintritt des Mittels. Tatsächlich – nach ein paar Sekunden – wurde seine Atmung kräftiger, seine Augenlider flatterten und nach kaum zwei Minuten kehrte sein Bewusstsein zurück.
    Sichtlich konfus und benommen drehte er seinen Kopf. »Was ist passiert?«, krächzte er und wollte sich erheben, scheiterte jedoch kläglich. Entgeistert starrte er auf seine heruntergezogene Hose, dann zu Sofia, und anschließen wieder auf seine nackten Beine. »Was ist passiert?« Dieses Mal klang sein Tonfall schon ärgerlicher und weniger verwirrt.
    »Geht es dir gut?«, vergewisserte sie sich, anstatt auf seine Frage einzugehen.
    Er fasste sich stöhnend an seinen Kopf, was auf Migräne schließen ließ. Aber obwohl er sehr blass und gequält aussah, schien er außer Lebensgefahr, daher sprang Sofia auf und rannte zur Tür. Ehe sie die Klinke betätigte, rief sie Tristan noch zu: »Du hast eine Überdosis Valium geschluckt, wenn es dir besser geht, solltest du Samir aufsuchen. Ich muss jetzt weg, du entschuldigst mich …« Sie nickte ihm zum Abschied knapp zu und verschwand anschließend.
    Sie hörte ihn noch lauthals durch das Holz fluchen: »Scheiße, Scheiße, verdammte Scheiße!« Sie betete inständig, dass sein Gebrüll nicht auch noch für andere Ohren zu hören war. Sie rannte ziellos durch die Gänge und musste immer wieder große Haken schlagen, wenn sie Schritte vernahm. Sie glaubte, ihr Herz würde einfach aus ihrem Brustkorb heraus katapultiert, so wild schlug es in ihrer Brust. Sie war durch Tristans Rettung ein großes Risiko eingegangen, denn wenn der Sklave sich erholt hatte – und sie schätzte dies auf weniger als fünf Minuten ein – würde er Alarm geben und sie war hoffnungslos verloren.
    Sie hetzte weiter, jumpte gerade noch rechtzeitig in ein offenes Zimmer, als zwei Wachen um die Ecke bogen. Wenigstens schien das Glück auf ihrer Seite, denn der Raum war leer. Keine Menschenseele, die ihrer Flucht ein Ende bereiten konnte. Sie eilte zu dem Fenster, riss die Läden förmlich aus den Angeln und kletterte auf den Balkon. Sie befand sich im ersten Stock des Gebäudes, ein weiterer, glücklicher Zufall, der ihr sehr gelegen kam. Sie stieg über die Brüstung und hangelte sich an der Balkonverkleidung nach unten, die letzten zwei Meter musste sie sich in den Sand fallen lassen. Der Aufprall war härter als erwartet. Sie verfluchte die Action-Filme, in denen solche Landungen federleicht aussahen. Selbst der Sand war

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