Die Entfuehrung der Wochentage
schniefte sie. »Es ist alles in Ordnung.«
»Ja, das sehe ich«, entgegnete er sarkastisch.
Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Körper von einer Weinattacke heimgesucht wurde. Ihr ganzer Leib bebte und sie rang nach Luft.
»Hier«, er holte aus seiner Hosentasche ein Döschen und suchte eine Pille heraus. »Nimm die.«
»Nein, es ist wirklich alles okay«, heulte sie und rang um Fassung. Sie wollte keine Drogen bekommen, die sie dumpf und wehrlos machten.
Samir hob seine Augenbraue, zuckte aber schließlich mit den Schultern und steckte die Tablette weg.
»Dann halt dich an die Spielregeln. Geh wieder raus. Gemeinsames Frühstück ist Pflicht. Wir wollen euch zur Geselligkeit erziehen. Ihr braucht Unterstützung und Freundschaft, alles, was wir euch nicht geben können, kriegt ihr untereinander.«
Sofia vermutete hingegen hinter dem Edelmut ihrer Entführer die Absicht, dass es den Mädchen schwerer fiel, Widerstand zu leisten, wenn sie wussten, dass ihre geliebten Kameradinnen dann ebenfalls leiden mussten. Die zwischenmenschliche Nähe war dabei nur ein schöner Nebeneffekt.
Trotzdem gehorchte sie und trottete zur Tür.
»Haben dir die Mädchen oder Tristan schon die Tagesabläufe erklärt?«, fragte Samir, der neben ihr ging.
»Nein.«
»So, dann weißt du noch gar nichts von dem Unterricht, den du bei mir haben wirst?«
»Was für ein Unterricht?«, stotterte Sofia und merkte, wie sich ihr Magen augenblicklich zusammenkrampfte.
Er grinste geheimnisvoll. »Das sollen dir dann die Frauen erzählen.«
Unterricht
Sofia schlich zurück zu den Frauen, die noch draußen saßen und die Reste des Frühstücks zusammenräumten. Samstag zog kritisch ihre Augenbrauen hoch und fragte: »Hast du dich wieder beruhigt?«
»Ja«, antwortete Sofia und senkte beschämt den Kopf, um ihre Reue zu demonstrieren.
»Schön«, kommentierte die Ältere ihre Reaktion und tätschelte ihr versöhnlich über den Oberarm. »Dann kommen wir zu dem Ablauf hier. Tristan bat mich ja, es dir zu erzählen.«
Bei Tristans Namen zuckte sie leicht zusammen. Sie kam nicht darüber hinweg, dass sie ihn vermisste, obwohl er ein Arschloch war.
»Hörst du mir überhaupt zu?!« Samstag wedelte mit ihrer Hand vor Sofias Augen, die erschrocken aufblickte.
»Ja, ja«, beschwichtigte sie die Frau schnell, die schon Luft geholt hatte, um ihr eine Standpauke zu halten.
»Gut«, knurrte die Sklavin. »Also Tom van Darkson ist ziemlich anspruchsvoll, was seine Sammlung betrifft. Wir müssen ihn nicht nur körperlich, sondern auch intellektuell unterhalten.«
Montag fiel ihr seufzend ins Wort: »Ja, wie sagt er immer: Wir sollen uns wie Sklavinnen verhalten, aber wie Damen benehmen.«
Samstag brummte aufgrund der Unterbrechung ungehalten auf und die Kleinere war sofort still.
»Also«, setzte sie wieder an. »Haben wir Unterricht in Politik, Literatur, Französisch und Klavier.«
Sofia runzelte skeptisch die Stirn. Bis auf Politik war sie in allen genannten Kategorien eine ausgesprochene Niete.
Samstag bückte sich zu einer Ledertasche, die sie um den Stuhl gehängt hatte und beförderte verschiedene Blätter zu Tage. »Hier, das ist dein Übungsmaterial für Französisch.«
Irritiert nahm Sofia die Heftchen entgegen und überflog sie. Vokabeln! Sie fühlte sich in ihre unselige Schulzeit zurückversetzt.
Samstag tippte mit dem Zeigefinger auf die aufgeschlagene Seite. »Für heute Mittag sollen wir die 50 Vokabeln lernen.«
Sofias Finger schlangen sich um die Blätter und sie schüttelte fassungslos den Kopf. Irgendwie kam ihr das alles absolut absurd vor.
Sie hörte Samstags Stimme: »Lern sie alle! Und zwar genau!«
Sofia wollte etwas erwidern, aber ein schriller Ton erscholl und die Vögel in den Käfigen flatterten aufgeregt umher.
»Was war das?«
»Frühstück ist um, bis zum Mittag müssen wir in unser Zimmer und lernen. Los beeil dich, sie sehen es nicht gerne, wenn wir trödeln.«
Kommentarlos verabschiedeten sich die Mädchen mit einem kurzen Kopfnicken und ließen Sofia ratlos zurück, die sich schließlich auch wieder auf den Rückweg in ihr Zimmer machte.
Kaum war sie angekommen, pfefferte sie die Hefte achtlos beiseite und setzte sich an den Schreibtisch. Sie stützte ihren Kopf in die Hände und warf dem Garten einen sehnsüchtigen Blick zu. Die aufsteigende Mittagshitze machte sie schläfrig und sie sann über ihre Situation nach. Nachdenklich betastete sie den Armreif, untersuchte die Stelle, wo Tristan das
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